Ein Lyriker der wenigen Worte

Im Alter von 85 Jahren ist am 17. Juli der Schweizer Lyriker Werner Lutz gestorben. Er gehörte zu den Stillen und wenig Bekannten, hinterlässt aber ein schmales grosses Werk.

Martin Zingg
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Werner Lutz

Werner Lutz

«Ich brauche dieses Leben», so heisst der Gedichtband, mit dem Werner Lutz 1979 im Suhrkamp-Verlag debütierte. Da war er, mit Jahrgang 1930, bereits 49 Jahre alt und längst ein bekannter Lyriker – und immer noch zu entdecken. Jahrelang hatte er schon geschrieben, erste Gedichte waren in Anthologien und Literaturzeitschriften erschienen, in «Akzente» oder in der legendären Anthologie «Transit». Er galt als scheuer Autor, als einer, wie sein Freund Rainer Brambach an Hans Bender schrieb, der seine Gedichte «ums Verrecken nicht veröffentlichen will».

Fast ein Dutzend Bände mit Gedichten und lyrischer Prosa sind es über die Jahre dann doch geworden, schmale Werke, deren Schraffur sich von Band zu Band verändert hat. Die Gedichte wurden knapper, und zugleich blieb es immer ein Rätsel, was alles darin Platz hatte – und wie viel Raum beim Lesen dennoch blieb. Es waren Gedichte des Aufbruchs, die mit heiterer Lakonie gegen alle Erstarrung aufbegehrten. «Schritte geübt, die den Boden nicht berühren», heisst es einmal in einem Vers, und das liest sich wie ein Programm dieses aussergewöhnlichen Lyrikers.

Werner Lutz brauchte wenige Worte, um die Welt für einen Augenblick in ein anderes, ungewöhnliches Licht zu tauchen. Bisweilen reichte ihm gar ein einziger Satz, um etwas aufscheinen zu lassen, was wir so noch nicht kannten: «Nach all den Jahren / endlich Bienen im Haar». Ein wunderlicher Satz, der hängenbleibt. Oder: «Gerade noch genügend Licht / für ein Selbstgespräch». Oder: «Die nie entrollten Fahnen».

In «Die Ebenen meiner Tage», im vergangenen Herbst erschienen, stellte Werner Lutz diesem Gestus der Verknappung nun Gedichte im Parlando gegenüber und brachte so zwei Frequenzen seines lyrischen Sprechens in einen überraschenden Dialog. Es war sein letzter Band. Werner Lutz ist am 17. Juli im Alter von 85 Jahren gestorben.