Lesung von Robert Menasse:Dem Autor ist nicht wohl

Ortstermin bei den Bürokraten: Robert Menasse hat in Brüssel seinen mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman "Die Hauptstadt" über die Europäische Union vorgestellt.

Von Daniel Brössler

Es ist nicht so, als läge im überfüllten Saal der Hessischen Landesvertretung in Brüs-sel das Absurde der Situation nicht ohnehin schon in der Luft, aber Robert Menasse geht auf Nummer sicher. Vor der Lesung aus seinem EU-Roman "Die Hauptstadt" zieht Menasse das Handy aus der Tasche und sagt: "Bevor ich lese, ersuche ich Sie um Erlaubnis, von Ihnen ein Foto machen zu dürfen." Um sodann sein Mobiltelefon auf das zu richten, was er eine "qualifizierte Öffentlichkeit" nennt. Für den Facebook-Account, wie er mitteilt. Wenn Menasse in die "Hauptstadt" kommt, um vor Beamten, Diplomaten, Lobbyisten und EU-Abgeordneten zu lesen, dann dürfen sich beide Seiten geschmeichelt fühlen. "Eine Liebeserklärung an die EU-Kommission" nennt Martin Selmayr, jener kürzlich unter umstrittenen Umständen zum Generalsekretär aufgestiegene und die Phantasie vieler EU-Beobachter ungeheuer anregende Machtmensch, das Buch, von dem der Suhrkamp-Verlag mittlerweile 300 000 Exemplare und 25 Übersetzungslizenzen verkauft hat. Den Erfolg des mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Romans hätten die im Saal Versammelten wohl am wenigsten vorausgesagt. Ihrem Ruf als gesichtslose Bürokraten sind die Brüsseler Beamten zuweilen resigniert, manchmal zurecht ergeben. Umso dankbarer sind sie Menasse. Es sei ihm darum gegangen, die EU als "menschengemachtes Projekt" zu schildern mit Typen, die Abgründe haben könnten, mal "biestig", mal solidarisch.

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