Es war vergangene Woche eine der vielen Absagen großer oder kleiner Kulturveranstaltungen, eine Absage, die trotz des späten Termins Mitte Juni niemanden großartig überrascht hat: Auch der vier Tage dauernde Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb fällt in diesem Jahr der Coronavirus-Pandemie und den Maßnahmen zu ihrer Eindämmung zum Opfer.

Überrascht wurde von dieser Entscheidung des den Wettbewerb übertragenden und mitfinanzierenden ORF offenbar doch jemand: die Jury. Zumindest scheint die Absage mit ihr nicht diskutiert worden zu sein.

So wie es eines ihrer Mitglieder, die neu in die Jury gekommene österreichische Literaturkritikerin Brigitte Schwens-Harrant , in einem Interview mit dem Literaturportal literaturcafe.de gesagt hat: "Die Jury war gerade dabei, intern zu diskutieren, welche alternativen Möglichkeiten bestünden, den Bewerb trotz der Situation und unter Einhaltung aller nötigen Sicherheitsmaßnahmen im Fernsehen stattfinden zu lassen. (…) Doch dazu, dass wir unsere Vorschläge hätten vorlegen können, ist es dann leider nicht mehr gekommen."

Fünf der sieben Mitglieder, mit Ausnahme des Vorsitzenden Hubert Winkels und von Nora Gomringer, haben sich nun in einem offenen Brief an die Landesdirektorin des ORF Kärnten, Karin Bernhard, gewandt und sich "vehement gegen die Aussetzung der diesjährigen Tage der deutschsprachigen Literatur" ausgesprochen.

"Wir möchten betonen, dass wir als Jury es gerade in der jetzigen Situation ausnehmend wichtig gefunden hätten, dass der Bewerb stattfindet. Es wäre ein Zeichen der Solidarität mit den Kulturschaffenden, aber auch mit den Kulturkonsumierenden gewesen, die alle gleichermaßen von dieser Krise betroffen sind."  

Die Jury hält es für möglich, den Wettbewerb trotzdem und "in Abwandlung der Statuten", unter Beachtung der Ausgangsbeschränkungen, im Fernsehen stattfinden zu lassen und würde sich dafür einsetzen, "diese Alternative mit dem ORF und den langjährigen Partnern durchzudenken und voranzutreiben".

Das Bachmann-Lesen findet in Klagenfurt stets vor Publikum statt und wird von den Sendern ORF und 3sat von Donnerstag bis Samstag von morgens bis mittags live übertragen, wie auch die Preisverleihung am Sonntag.

Warum nicht digital?

Dazu sitzt um die jeweils vortragenden Autorinnen und Autoren die siebenköpfige Jury, die im Anschluss an die Lesungen die Texte diskutiert.

Tatsächlich ist gerade das Bachmann-Lesen prädestiniert dafür, einmal ausschließlich digital oder eben nur im Fernsehstudio stattzufinden. Nicht nur, weil inzwischen via soziale Medien die Lesungen noch intensiver diskutiert werden als vor Ort im Garten und im Café des ORF-Studios, und es schon viele Jahre einen Publikumspreis gibt, der nach einer digitalen Abstimmung vergeben wird.

Sondern auch, weil die Live-Atmosphäre nicht zwingend notwendig ist für diesen Wettbewerb. Seit seiner ersten Ausgabe 1977 wird diskutiert, was eigentlich das Fernsehen für einen Einfluss auf die Bachmann-Preis-Literatur ausübt, zumindest wie groß dieser Einfluss ist. Es könnte nun womöglich neue Formen der Darstellung und der Erzählungen geben, und die Jury müsst eigentlich problemlos auch per Videokonferenz die Texte debattieren können. Vielleicht würde es dem Wettbewerb sogar gut tun, einmal Neues auszuprobieren, eben aus der Not eine Tugend machen.