Vielleicht ist es einfach die Überraschung: Wenn im Rahmen einer Veranstaltung, die eigentlich Nachwuchstalente feiert, plötzlich ein alter Mensch zu Wort kommt und sich ganz wunderbar offen und gegenwärtig gibt, fliegen ihm die Sympathien zu. So war es, als die 80-jährige Helga Schubert vor zwei Wochen beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt las und halb Literatur-Twitter sie als Oma ausleihen wollte. So war es auch, als die damals 73-jährige Elke Erb 2011 beim Hildesheimer Prosanova-Festival für junge deutschsprachige Gegenwartsliteratur auftrat.
"Haushaltsfragen" hieß die Veranstaltung. Gemeinsam mit ihrem Mitbewohner Christian Filips (damals 29) las Erb aus beider Gedichten und Putzplan. Besucherinnen dieser Lesung schwärmen heute noch von ihr. Den Anspruch des Festivals, innovative Standards der Literaturvermittlung zu setzen, erfüllte Erb, indem sie Lyrik und Alltag kurzerhand nebeneinanderstellte. Nicht mit geschürzten Lippen und der Geste "Ich mach jetzt mal was Radikales", sondern um zu erläutern, wie Literatur und Literatinnenleben zusammengehen – und das bedacht, bescheiden und mit großer Selbstironie.
Ähnlich uneitel war auch Helga Schuberts Auftritt in Klagenfurt. Ihre Lesung sowie der obligatorische Vorstellungsfilm wurden ohne viel Schnickschnack im eigenen Haus und im eigenen Garten der Autorin bei Schwerin aufgezeichnet. Ihr Text zeigte sich interessiert an seinen Figuren und deren Geschichte, die Autorin selbst war interessiert am eigenen Text. Das ist durchaus nicht immer so. Häufig interessieren sich Text und Autorin jeweils nur für sich selbst und das ist dann schrecklich.
Helga Schubert gewann damit den
Bachmannpreis. Und Elke Erb wurde in dieser Woche mit dem Georg-Büchner-Preis
ausgezeichnet. Nun wäre es wahrscheinlich eine besonders perfide Form des Ageism, würde man die Parallelen zwischen den beiden überstrapazieren: Das
Mecklenburger Hinterland ist nicht der Prenzlauer Berg, Prosa keine Lyrik, die
häusliche Pflege des Ehegatten ein völlig anderer Lebensumstand als ein
langjähriges WG-Leben mit viel jüngeren Menschen. Und dass eine ostdeutsche
Autorinnenbiografie nicht zwangsläufig in ein generationenverbindendes Spätwerk
münden muss, beweist eine Schriftstellerin wie Monika Maron, nur knapp 17
Monate jünger als Schubert, eindrücklich.
Aber genau hier offenbart sich eine Gemeinsamkeit, die Erb und Schubert teilen: Sie stehen für ein Alter ohne Starrsinn und Dünkel. Sie senden keine verbitterten Signale aus vermeintlich besseren Zeiten, hegen weder anti-digitale Ressentiments noch eine sonst wie feindselige Gegenwartsangst, sie betreiben keine Rückzugsgefechte, sondern lediglich (teils eigensinnige) Formenerforschung. Die aber ist jeder Anbiederung an Lese- und Themeninteressen der Jüngeren unverdächtig und das Publikum weiß offensichtlich, just diesen Eigensinn zu schätzen. Und so wird aus der Sympathie für die nette Oma am Ende ein hochverdientes Lob der alten Dame.
Vielleicht ist es einfach die Überraschung: Wenn im Rahmen einer Veranstaltung, die eigentlich Nachwuchstalente feiert, plötzlich ein alter Mensch zu Wort kommt und sich ganz wunderbar offen und gegenwärtig gibt, fliegen ihm die Sympathien zu. So war es, als die 80-jährige Helga Schubert vor zwei Wochen beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt las und halb Literatur-Twitter sie als Oma ausleihen wollte. So war es auch, als die damals 73-jährige Elke Erb 2011 beim Hildesheimer Prosanova-Festival für junge deutschsprachige Gegenwartsliteratur auftrat.