Die
Frankfurter Buchmesse ist derzeit für Überraschungen aller Art gut. Zunächst verblüffte
das Team um Direktor Juergen Boos Ende Mai die Öffentlichkeit mit der
Entscheidung, die Messe im Oktober 2020 trotz Corona-Pandemie stattfinden zu
lassen. Dieser Entschluss hat bis heute Gültigkeit, obgleich mit den
Verlagsgruppen Random House, Holtzbrinck und Bonnier gleich drei der großen
Player der Branche umgehend abwinkten und ihre Teilnahme vor Ort frühzeitig absagten.
Das bedeutet, dass Verlage wie S. Fischer, Piper, Rowohlt, Heyne, btb,
Luchterhand, Ullstein oder Kiepenheuer & Witsch keine Messestände anmieten
werden, während den unabhängigen Kleinverlagen nach der großen Absatzkrise des
ersten Halbjahres schlicht die finanziellen Mittel fehlen dürften, in Frankfurt
Präsenz zu zeigen. Mit internationalem Publikum aus Übersee ist auch kaum zu
rechnen, in dieser Woche hieß es auch, dass die
prestigeträchtigen Auftritte der Ehrengastländer nicht in den Raum des
Digitalen, sondern zumindest physisch um jeweils ein Jahr verschoben werden. Zuletzt war allerdings wiederum von einer "starken virtuellen Präsenz" des Ehrengastlandes Kanada die Rede.
Heute
wurde nun bekannt gegeben, dass Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur, im
Rahmen ihres Rettungsprogramms Neustart Kultur für den Kultur- und
Medienbereich vier Millionen Euro Fördergelder an die Frankfurter Buchmesse
ausschüttet. Dieser Zuschuss, so Messechef Boos, werde an die kleinen und
mittleren Verlage in Form von um bis zu 50 Prozent verringerten Standmieten weitergegeben. Ob sie kommen werden, bleibt freilich abzuwarten. Das Signal
aber ist eindeutig: Es muss wieder losgehen, irgendwie, weil sonst zu viel
kultureller Inhalt unwiederbringlich auf der Strecke bleibt.
Trotzdem stellt sich die Frage, wie ein auf Begegnung, Austausch und Publikumsverkehr angewiesenes Kommunikationsereignis wie die Frankfurter Buchmesse in Zeiten einer Pandemie, mit nur 20.000 Besuchern jeweils auf dem Messegelände und strikten Abstandsregeln, in einem ideellen Sinne gewinnbringend und zufriedenstellend über die Bühne gehen könnte. Zumal Juergen Boos stets betont hat, dass im Falle einer zweiten Corona-Welle im Herbst eine komplette Absage unumgänglich wäre. Doch offenbar ist die Sehnsucht nach einem kulturellen Leuchtturmprojekt, das Signalwirkung sogar über die Buchbranche hinaus haben könnte, so groß, dass Zweifel mit dem großen Optimismusschwamm beiseite gewischt werden.
Neben diesen großen Überlegungen gibt es natürlich auch den ökonomischen Druck auf die Buchmesse selbst, der als eine Erklärung für
das Informationschaos der vergangenen zwei Wochen dienen kann: Auf die
von der FAZ verbreitete Meldung hin, nach der die Buchmesse ab 2021 mit der
unwirtschaftlichen Musikmesse und einer Gaming-Convention zu einem großen
Kreativfestival nach Vorbild des in Austin/Texas stattfindenden Festivals South by Southwest verschmelzen solle, wurde zunächst eine zuvor angekündigte
gemeinsame Pressekonferenz der Buchmesse, der Messe Frankfurt und der Stadt
Frankfurt kurzfristig abgesagt. Wenig später folgte das entschiedene Dementi
vonseiten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gesellschafter der Messe.
Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis bezeichnete derartige Gedankenspiele als "absurd" und betonte, dass ein Kreativfestival "die Identität der Frankfurter Buchmesse als Weltmarktführer beschädigen" würde. Auch Buchmessensprecherin Kathrin Grün betont gegenüber ZEIT ONLINE: "Die Verschmelzung der Frankfurter Buchmesse mit anderen Messen zu einem Kreativfestival ist nicht geplant und war auch nie geplant." Die Zusammenarbeit mit Institutionen wie beispielsweise der Berlinale solle jedoch tatsächlich erhalten und ausgebaut werden.
Auch 2021 wird digitaler geplant
Klar
sei allerdings auch, so Grün, dass digitale Formate, die für die Messe im Jahr
2020 entwickelt würden, auch im Jahr 2021 ausgebaut werden sollen, denn: "Dass
wir 2021 eine normale Buchmesse mit mehr als 300.000 Besuchern haben werden,
kann man sich derzeit schwer vorstellen." Hier stehen vor allem digitale
Präsentations- und Beteiligungsmöglichkeiten für Aussteller im Fokus, beispielsweise
die digitale Durchführung des im Vorjahr noch die Stadt Frankfurt bespielenden Kulturfestivals Bookfest als eintägiger digitaler Stream.
Unter dem Motto "All together now" möchte man, so eine weitere Pressemitteilung von Freitagnachmittag, "Verlage und Partner, Kulturbegeisterte und Fachteilnehmer*innen aus aller Welt im virtuellen Raum zusammenbringen und die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen und Autor*innen und Geschichten zu feiern". Für Fachpublikum und Kulturinteressierte sollen alle digitalen Formate und auch die virtuellen Auftritte der Verlage, so es sie denn geben wird, mithilfe der Bundesmittel über die Homepage der Buchmesse kostenfrei zugänglich gemacht werden.
Auch die digitale Plattform Frankfurt Rights, die die Messe für den internationalen Rechtehandel erweitern möchte, soll nun mit den Fördermitteln des Bundes vorangetrieben werden. Außerdem ist von einem umfangreichen Konferenzprogramm und einem digitalen "Matchmaking"-Tool die Rede, das potenzielle Geschäftspartner zusammenbringen soll. Über genauere Modalitäten sollen die Aussteller in der kommenden Woche in einem Informationsgespräch unterrichtet werden. Entscheidend ist jedoch: Sowohl der Kultur- als auch der Geschäftsort Buchmesse sollen – unter Corona-Bedingungen umso mehr – digital funktionieren. Die Nutzung der Rechteplattform solle zudem für neun Monate kostenlos sein, so Messedirektor Boos.
Trotz der digitalen Ausweitung arbeitet die Buchmesse parallel daran, dem Bedürfnis des Publikums nach der Begegnung mit Autorinnen und Autoren nachzukommen. Die riesige Festhalle auf dem Messegelände mit ihrer charakteristischen Dachkuppel, in Normalzeiten ausgelegt für Veranstaltungen mit bis zu 12.000 Zuschauern, soll zur großen Messebühne werden. Unter der Federführung der ARD als Hauptpartner und unter Beteiligung weiterer öffentlich-rechtlicher Sender sollen in der Festhalle Autorenveranstaltungen vor natürlich reduziertem Publikum über die Bühne gehen, die aber gleichzeitig auch im Netz gestreamt werden. "Wir wünschen uns Präsenz", sagt Buchmessensprecherin Grün – und drückt damit ein Gefühl aus, das weit über die Buchmesse selbst hinausstrahlt.
Die
Frankfurter Buchmesse ist derzeit für Überraschungen aller Art gut. Zunächst verblüffte
das Team um Direktor Juergen Boos Ende Mai die Öffentlichkeit mit der
Entscheidung, die Messe im Oktober 2020 trotz Corona-Pandemie stattfinden zu
lassen. Dieser Entschluss hat bis heute Gültigkeit, obgleich mit den
Verlagsgruppen Random House, Holtzbrinck und Bonnier gleich drei der großen
Player der Branche umgehend abwinkten und ihre Teilnahme vor Ort frühzeitig absagten.
Das bedeutet, dass Verlage wie S. Fischer, Piper, Rowohlt, Heyne, btb,
Luchterhand, Ullstein oder Kiepenheuer & Witsch keine Messestände anmieten
werden, während den unabhängigen Kleinverlagen nach der großen Absatzkrise des
ersten Halbjahres schlicht die finanziellen Mittel fehlen dürften, in Frankfurt
Präsenz zu zeigen. Mit internationalem Publikum aus Übersee ist auch kaum zu
rechnen, in dieser Woche hieß es auch, dass die
prestigeträchtigen Auftritte der Ehrengastländer nicht in den Raum des
Digitalen, sondern zumindest physisch um jeweils ein Jahr verschoben werden. Zuletzt war allerdings wiederum von einer "starken virtuellen Präsenz" des Ehrengastlandes Kanada die Rede.