Gunter Gebauer über Klaus Wagenbach

"Eine ganz wichtige Figur im alten West-Berlin"

05:49 Minuten
Klaus Wagenbach im Alter von etwa 40 Jahren
Der Berliner Germanist und Verleger Klaus Wagenbach im Jahr 1972 © picture alliance / KPA
Gunter Gebauer im Gespräch mit Axel Rahmlow · 11.07.2020
Audio herunterladen
Ob Biermann, Pasolini oder Sekundärliteratur über Kafka: Das Spektrum des 1964 gegründeten Wagenbach-Verlags ist weit. Auch weil Verleger Klaus Wagenbach, der heute 90 wird, ein großes Gespür für literarische Perlen hat, sagt Philosoph Gunter Gebauer.
Er veröffentlichte Texte von Rudi Dutschke, Ulrike Meinhof und der RAF, aber auch Gedichte von Wolf Biermann - und nicht zuletzt wunderschöne Bücher aus und über Italien: Klaus Wagenbach, Gründer und langjähriger Leiter des Wagenbach-Verlags, lässt sich nicht leicht auf einen Nenner bringen.
Kafka-Spezialist war er außerdem, erinnert sich der Philosoph Gunter Gebauer. So habe Wagenbach eine Kafka-Biografie geschrieben, die das bis dahin vorherrschende Kafka-Bild stark verändert hat. Vorher sei Kafka entweder religiös oder antikommunistisch oder existenzialistisch gedeutet worden. "Das war dann so ein düsterer Kafka, dazu waren auch die Bilder, die der Fischer-Verlag immer auf seinen Covern angebracht hatte: Kafka mit einem Haaransatz knapp über den Augenbrauen. Man hatte das Gefühl, das ist jemand, der aus einer Anstalt ausgebrochen ist oder so ähnlich", sagt Gebauer.

"Großes Gespür für literarische Perlen"

Der Verleger habe eine sehr hohe Kompetenz in Literatur an den Tag gelegt und ein großes Gespür für literarische Perlen gehabt, so der Philosoph weiter. "Er hat Autoren aus dem Osten veröffentlicht, er hat Lyrik veröffentlicht, dann wiederum Dinge, die zum schönen Leben gehören, Bücher über Liebe in Italien oder italienische Bücher über Liebe und ähnliches, die auch sehr schön sind, sehr lesenswert."
Der Gründer und Verleger des Verlages Klaus Wagenbach, aufgenommen während der Internationalen Frankfurter Buchmesse am 18. Oktober 1978.
Eine prägende Figur des alten West-Berlin: Verleger Klaus Wagenbach, hier auf der Frankfurter Buchmesse 1978.© picture alliance / dpa / Heinz Wieseler
Vor allem aber habe Wagenbach als politischer Verleger eine Rolle gespielt: "Er hat interessante und gefährliche politische Traktate veröffentlicht." Etwa die Freibeuterschriften des Filmregisseurs Pier Paolo Pasolini, was auch Wagenbachs Liebe zu Italien entgegenkam. Letztlich, so Gebauer, sei Wagenbach "eine ganz wichtige Figur im alten West-Berlin" gewesen.
(uko)

Gunter Gebauer ist Philosoph, Sportwissenschaftler und Linguist. Seine Veröffentlichungen decken ein breites Spektrum ab: von "Wittgensteins anthropologischem Denken" über die "Poetik des Fußballs" bis zu "Sprachen der Emotion". Bis zu seiner Emeritierung 2012 lehrte Gebauer Philosophie an der Freien Universität Berlin.

Die ganze Sendung "Der Tag mit Gunter Gebauer" hier zum Nachhören:
Mehr zum Thema