Dort drüben, das soll also mal die allerfinsterste Absturzkneipe der Gegend gewesen sein? Jetzt leuchtet die Rote Rose mit frischem Logo clean herüber. "Uiiii, wie schick", staunt Karin Wieland. Und ihr verblüffter Mann Heinz Bude befindet nicht nur ironisch: "Die hätten eigentlich längst ein Bundesverdienstkreuz verdient." Tatsächlich wurden ja schon einige bundesrepublikanische Wandlungsprozesse mit diesem Orden gekrönt, warum nicht auch die "kleine Raucherkneipe", wie sie sich als Tribut an die Gegenwart nennt. Oranien-/Ecke Adalbertstraße: Hier begannen im tagtäglich besoffenen Morgengrauen der Achtzigerjahre Weltkarrieren und Lebenskatastrophen. Ein Septembernachmittag 2020: Bude und Wieland spazieren mit Bettina Munk durch diese historisch aufgeladene Ecke von Kreuzberg, heute trotz Corona einer der ballermannesken Hotspots Berlins. Das Trio gibt die perfekten Stadtführer für Nachgeborene, zu jedem Haus haben sie kulturgeschichtlich Relevantes parat. Während in Leipzig-Connewitz Barrikaden brennen, ist dieser Spaziergang eine Reise in ihre Vergangenheit in SO 36: Hier wurden einst Häuser besetzt, wurde gegen das Schweinesystem gekämpft und ein anderes Leben erprobt, Feuer und Flamme für jeden Staat. Und die drei waren dabei. Fast 40 Jahre später haben sie darüber einen Roman geschrieben – zu dritt, als "Kollektiv", wie man früher sagte.