Film

Obsessiv und stilsicher

Beziehungen sind etwas Seltsames. Das dachte sich Quentin Dupieux einmal mehr. Sein neue Komödie erzählt von dem skurrilen Verhältnis eines Mannes zu seiner Jacke und den folgenschweren Konsequenzen.

Der Franzose Quentin Dupieux ist ein Meister des Absurden. Als Produzent und DJ mit dem kultigen »Flat Beat« zu weltweiter Berühmtheit gelangt, hat er nach einigen Werbeclips 2001 mit seinem »Nichtfilm« ein bemerkenswertes Debüt hingelegt, dem er mit »Rubber« und »Wrong« zwei cineastische Grotesken über mordende Autoreifen und andere Skurrilitäten folgen ließ.

In seinem neuen Film »Monsieur Killerstyle« spielt eine Wildlederjacke die Hauptrolle. Zunächst muss aber eine andere daran glauben. Brutal stopft Georges sein grünes Cord-Jackett in die Toilette einer Tankstelle und man versteht auch ohne jeden Kommentar, dass hier einer einen Neuanfang wagt. Georges heißt der Mann, dessen Frau sich gerade von ihm getrennt hat und der irgendwo in den französischen Bergen eine Hirschlederjacke mit Fransen für völlig überzogene 7.500 Euro kauft. Aber George ist kein Preis zu hoch, er scheint in der Jacke etwas zu sehen, das sich mit rationalen Mitteln nicht erklären lässt. Man sehe doch, dass dieses scharfe Teil nicht nur eine normale Jacke sei, lässt er zwei Damen in einer Kneipe später wissen.

Es ist ein verrückter Wahnsinn, den Dupieux da vor der Kamera veranstalten lässt, denn mit dem Erwerb der Jacke erhielt George noch eine Kamera dazu, vor der er sich fortan immer wieder mit seiner Jacke in Szene setzt oder mit ihr eingebildete Dialoge führt. Als ihm dann plötzlich seine Jacke antwortet und ihm offenbart, dass sie die einzige Jacke der Welt sein möchte, dreht George vollends durch. Er nimmt sich nämlich im Gegenzug vor, der einzige Jackenträger der Welt zu sein – mit verheerenden Folgen für seine Umwelt, wie im Laufe des Films deutlich wird.

Ein Verrückter macht aber noch lange keine Komödie, weshalb Denise ins Spiel kommt, die junge Kellnerin in dem Bergdorf, in dem sich der schräge Held mit seiner Jacke niedergelassen hat. Als er erfährt, dass Denise eigentlich als Cutterin arbeitet, gibt er sich als Filmemacher aus. Er ruft ein angebliches Filmprojekt ins Leben, um wildfremden Leuten vor der Kamera ihrer Jacke zu entledigen. Die ebenso gutgläubige wie ehrgeizige Cutterin Denise meint darin einen radikalen Stoff zu entdecken und treibt George nichtsahnend zu folgenschweren Höchstleistungen an.

2019 feierte der Film seine Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes. In Deutschland sollte der Film im April in die Kinos kommen, doch Dupieux Groteske ist ein Opfer der Corona-Pandemie geworden. Nun kommt der absolut sehenswerte Film als DVD/Blu-ray heraus. »Monsieur Killerstyle« ist eine schräge Liebeserklärung an das Kino und eine radikale Reflexion darüber, wie die Inszenierung zur Obsession werden kann.

Quentin Dupieux: Monsieur Killerstyle. Frankreich 2019. Koch Films. 77 Minuten. 15,50 Euro. Hier bestellen.


Wir verlosen gemeinsam mit Koch Films eine DVD / Blu-ray von Quentin Dupieux’ Komödie. Bitte dafür unter dem Facebook-Eintrag zur Filmkritik kommentieren, warum der Film in die eigene Sammlung gehört und eine:n Freund:in markieren.

Das Schauspielerpaar Jean Dujardin und Adèle Haenel tragen diese Western- und B-Movie-Persiflage mit großartiger Ernsthaftigkeit. Allein ihnen und ihren verstellten Blicken auf die Welt zu folgen, ist ein Vergnügen. Die quasi-kafkaeske Konstellation einer selbstverliebten Jacke und einem ungleichen Paar, dass ihren Befehlen treu Folge leistet hebt den Film auf eine derart absurde Ebene, dass er dadurch schon wieder eine wunderbare gesellschaftskritische Note bekommt.

»Monsieur Killerstyle« ist eine subversive Allegorie auf die Macht der Besessenheit und hält einer Gesellschaft, in der jeder nur an sich denkt, den Spiegel vor.

1 Kommentare

  1. […] hat er eines der meistgesehenen Musikvideos überhaupt gemacht, sein letzter Film »Deerskin«, eine geniale Komödie über einen Mann, der in den Bann seiner Lederjacke gerät, ist zu Unrecht in der ersten Pandemiewelle etwas […]

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