KAISERPANORAMA

Reise durch die Deutsche Inflation

 

X.
Aus den Dingen schwindet die Wärme. Die Gegenstände des täglichen Gebrauchs stoßen den Menschen sacht aber beharrlich von sich ab. In summa hat er tagtäglich mit der Überwindung der geheimen Widerstände und nicht etwa nur der offenen -, die sie ihm entgegensetzen, eine ungeheure Arbeit zu leisten. Ihre Kälte muß er mit der eigenen Wärme ausgleichen, um nicht an ihnen zu erstarren und ihre Stacheln mit unendlicher Geschicklichkeit anfassen, um nicht an ihnen zu verbluten. Von seinen Nebenmenschen erwarte er keine Hilfe. Schaffner, Beamte, Handwerker und Verkäufer – sie alle fühlen sich als Vertreter einer aufsässigen Materie, deren Gefährlichkeit sie durch die eigene Rohheit ins Licht zu setzen bestrebt sind. Und der Entartung der Dinge, mit welcher sie, dem menschlichen Verfalle folgend, ihn züchtigen, ist selbst das Land verschworen. Es zehrt am Menschen wie die Dinge, und der ewig ausbleibende deutsche Frühling ist nur eine unter zahllosen verwandten Erscheinungen der sich zersetzenden deutschen Natur. In ihr lebt man, als sei der Druck der Luftsäule, dessen Gewicht jeder trägt, wider alles Gesetz in diesen Landstrichen plötzlich fühlbar geworden.

 

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Ein Stereoskop im Wiener Praterkino „Kaiserpanorama“ um 1900. Originalfoto im Besitz des Filmarchiv Austria

Als Kaiserpanorama bezeichnet man ein um die Wende zum 20. Jahrhundert populäres Massenmedium, das es bis zu 25 Personen gleichzeitig ermöglichte, stereoskopische Bilderserien durch ein Guckloch zu betrachten. Gezeigt wurden hauptsächlich exotische und für den Normalbürger unerschwingliche Reiseziele und Landschaften. Ein Umlauf der hinter einer zylindrischen Holzvertäfelung automatisch im Kreis transportierten Bildserien dauerte eine halbe Stunde.

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