Nett, so ein Skelett: Künstlerische Röntgenbilder

von | 26.11.2020 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Röntgenbilder als Kunstwerke gestalten – das schafft Arie van ‚t Riet. Bevor er seine Leidenschaft für künstlerische Fotos entdeckte, arbeitete er im Bereich der Klinischen Strahlenphysik in einem Krankenhaus. Heute können seine Werke in Ausstellungen auf der ganzen Welt betrachtet werden – und jetzt auch im Buch „Nette Skelette“, erschienen im Mixtvision Verlag. – Von Zeichensetzerin Alexa

„Dieses Buch ist ungewöhnlicher als du denkst“, meint Jan Paul Schutten, der Autor dieses Buches, im Vorwort. Und er hat Recht. Nicht nur, weil Röntgenbilder faszinierend sein können, sondern auch aufgrund der Entstehungsart der Bilder in diesem Buch. Dabei waren sie ursprünglich gar nicht für ein Buch gedacht. Arie van ‚t Riet hat während seiner Arbeit im Krankenhaus viele Röntgenaufnahmen gemacht und als ein Röntgengerät ausgemustert wurde, durfte er es – unter Einhaltung aller Sicherheitsanforderungen – mit in seine Werkstatt nehmen. Dort entstanden dann die Röntgenbilder, die in diesem Buch zu sehen sind.

Arie van ‚t Riet sah das Röntgen von Tieren zunächst als eine Übung, aber dann fand er großen Gefallen daran, Pflanzen und Tiere so zu kombinieren, dass die Aufnahmen zu Kunstwerken wurden. Ein wichtiger Hinweis: Alle Tiere, die Arie aufnahm, lebten nicht mehr. Es wurde also kein Tier gequält – und natürlich wurde auch keins für dieses Projekt getötet. Da man nicht einfach so ein totes Tier besitzen kann, hat Arie jedes, das er mit in seine Werkstatt nahm, gemeldet.

Als Arie van ‚t Riet seine Fotos schließlich an Jan Paul Schutten schickte, wusste dieser sofort, „dass man daraus ein ungewöhnliches Buch machen konnte“ und schrieb die Texte dazu. Soweit zur Vorgeschichte des Buches „Nette Skelette“ – tauchen wir ab in die großartigen Röntgenaufnahmen!

Faszinierende Skelette

Es gibt viele Bücher über Tiere, die ihre Eigenschaften und Besonderheiten beschreiben, aber in diesem Buch geht es vordergründig um ihre Knochen! Vorgestellt werden unterschiedliche Arten: Gliederfüßer und Weichtiere, Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere. Sie unterscheiden sich in ihrem Körperbau und ihren Fähigkeiten, äußerlich wie innerlich. Klar, die Schnecke hat ein Herz und eine Niere, aber sie ist im Inneren so weich, dass man auf den Röntgenbildern nichts erkennen kann. Die Silbernen Pampeln hingegen sind voller Gräten und das sieht man anhand der vielen dünnen Streifen auf der Aufnahme.

Manche Tiere sind besonders spannend: Das Seepferdchen hat sowohl ein inneres als auch ein äußeres Skelett. Letzteres ist ein Panzer, der vor Raubfischen oder -vögeln schützt. Haben sich diese durch das äußere Skelett gebissen, müssen sie sich noch durch das innere arbeiten. Im Endeffekt haben sie aber nicht viel davon, denn das Seepferdchen hat mehr Knochen als Fleisch – und das ist den meisten Tieren dann doch zu viel Aufwand.

„Wusstest du, dass …?“

„Nette Skelette“ beinhaltet einerseits wunderschöne Aufnahmen, die in einem ansprechenden Layout eingebettet sind, und andererseits sehr spannende Informationen. Das bietet reichlich Gesprächsstoff: Wusstet ihr, dass sich manche Vögel einander ähnlicher sind, als es von außen den Anschein hat? Die Skelette einer Elster, eines Eichelhähers und einer Krähe gleichen sich so sehr, dass sie kaum zu unterscheiden sind. Erst durch die Federn verlieren sie ihre Ähnlichkeit.

Und da wir gerade bei Unterschieden sind: Eine Wespe und eine Hummel unterscheiden sich sehr voneinander – oder? Zumindest was die äußerliche Erscheinung betrifft. Denn auf den Röntgenbildern wird ersichtlich: Hummeln haben genauso wie Wespen eine dünne Taille. Die einzelnen Körperteile sind lose miteinander verbunden, weshalb die Hummel sehr verletzlich ist.

Netflix für die Hummel?

Ohne vor der Lektüre den Klappentext gelesen zu haben, wirkt das Buch wie ein informatives Sachbuch für jedes Alter. Im Gegensatz zu den Röntgenbildern ist der Text aber nicht unbedingt für alle geeignet – beziehungsweise ist das Zielpublikum ein jüngeres. Dies ist zum einen an dem saloppen Schreibstil erkennbar und zum anderen an den Verweisen auf unterschiedliche Unterhaltungsmedien. So Schreibt Jan Paul Schutten, dass die Hummel zwar Fühler hat, damit aber kein WLAN empfangen kann, „aber das stört die Hummel nicht, denn sie interessiert sich mehr für Nektar als für Netflix.“

Haha, witzig. Oder auch nicht. Jedenfalls ist der Schreibstil zu Beginn sehr gewöhnungsbedürftig, vor allem, wenn man mit einem ernsteren Sachbuch gerechnet hat. Manchmal wirkt der Stil etwas erzwungen, so als versuche der Autor besonders witzig zu sein, um die Zielgruppe zu erreichen. Aber eigentlich ist das gar nicht notwendig. „Nette Skelette“ funktioniert auch ohne Komik. Das Buch überzeugt mit faszinierenden Röntgenbildern, die den Leser:innen zeigen, was sie im Alltag nicht sehen können: das Skelett eines Tieres – wunderschön kombiniert mit Pflanzen, die etwas Farbe in die Schwarz-Weiß-Aufnahmen bringen. Und es punktet mit spannenden Informationen, die ganz sicher nicht so schnell aus dem Gedächtnis verschwinden.

Wer sich also für Tiere und deren Skelette interessiert, und über den etwas nervigen Schreibstil hinwegsehen kann, sollte unbedingt einen Blick in „Nette Skelette“ werfen. Empfehlenswert ab 8 Jahren und viel älter.

Nette Skelette. Text: Jan Paul Schutten. Bilder: Arie van ‚t Riet. Übersetzung aus dem Niederländischen: Birgit Erdmann, Verena Kiefer. Mixtvision. 2020. Ab 8 Jahren. // Bilder: Mixtvision

 

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