Petra Gabriel – Madame kam aus Amerika (Buch)


Erinnerung an die Ehrenbürgerin von Laufenburg

In Baden-Württemberg, direkt an der Grenze zur Schweiz, liegt die Kleinstadt Laufenburg, die bis 1930 Kleinlaufenburg hieß. Großlaufenburg lag jenseits der Bundesgrenze. Im Jahr 1894 kauft Arthur Amory Codman eine Villa in Kleinlaufenburg, die später zum Schlössle umgebaut und erweitert wurde. Hausherrin dort war rund 35 Jahre lang Mary Elisabeth Belknap Codman, die Schlösslemadame, der zu ihrem 82. Geburtstag am 26. September 1921 die Ehrenbürgerschaft verliehen wurde. Ihr hat die Schriftstellerin Petra Gabriel das Buch “Madame kam aus Amerika – Aus dem Leben der Laufenburger Ehrenbürgerin” gewidmet.

Mary Elisabeth Belknap wurde am 26. September 1839 in New York geboren und heiratete am 5. Juni 1861 im Alter von 22 Jahren Arthur Amory Codman. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, die jedoch früh im Alter von 14 und 25 Jahren starben. Überhaupt begleitete der Tod die Schlösslemadame bereits in jungen Jahren. So starb ihre Mutter bei einem tragischen Schiffsunglück, dem Untergang des Dampfschiffs “John Jay” am 29. Juli 1856.
Die Eheleute Codman stammten beide aus sehr reichen Familien (Geldadel) und so suchte Mary Codman auch in Laufenburg ausschließlich Freunde im Kreis der Reichen und Adeligen. Sie galt als selbstbewusst, intelligent, hochgebildet und im Denken ihrer Zeit voraus. Affären mit Männern und Frauen wurden ihr nachgesagt. Codman besaß weitere Immobilien, darunter eine Wohnung in Berlin in der der Bendlerstraße, heute besser bekannt als Bendlerblock, welcher im Dritten Reich traurige Bekanntheit erlangte. Auch in Zürich hatte sie eine Immobilie und lernte dort den ungarischen Pianisten Robert Freund kennen, ein später Schüler von Franz Liszt. Freund war schon zu Lebzeiten von Arthur Codman oft zu Gast in Laufenburg. Im Jahr 1899 – zwei Jahre nach dessen Tod – heiratete der damals 47-jährige Freund die bereits 59-jährige Schlösslemadame. Es gab Gerede, denn derartige Altersunterschiede wurden nur in umgekehrter Geschlechterverteilung von der Gesellschaft akzeptiert. Zu den Gratulanten zählten dennoch viele Künstler, darunter Richard Strauß, ein langjähriger Freund des Paares. Die Ehe hielt jedoch nur bis 1912.

Sechs Jahre später folgte ein weiterer Rückschlag, denn durch den Kriegseintritt der Amerikaner gab es nur zwei Möglichkeiten: Ausreise oder Internierung, was zu finanziellen Engpässen führte. Gleichwohl war Codman zeitlebens offenbar sehr wohlhabend, wie ihre zahlreichen Konzerte und Empfänge mit exquisiter Speise- und Getränkeauswahl belegen. Kleinlaufenburg verlieh der Schlossherrin die Ehrenbürgerschaft, da sie sich gegenüber der Stadt sehr gönnerhaft zeigte. Sie wurde Ehrenvorsitzende des Frauenvereins und richtete eine Kinderschule aus eigenen Mitteln ein. Ein Anlass, der den Besuch der Großherzogin Luise von Baden im September 1901 zur Folge hatte. Beigesetzt wurde Mary Codman nach ihrem Tod am 9. August 1929 im Familiengrab in Bristol, Rhode Island, USA.

“Madame kam aus Amerika” ist ein akribisch recherchiertes Buch, was sich vor allem zu Beginn bemerkbar macht. Zahllose Namen, Daten und familiäre Verbindungen werden mitunter haarklein beschrieben; flüssig lesbar ist dies nicht immer. Dennoch, wer sich für das Leben einer (heute außerhalb Badens) unbekannten, aber sicherlich außergewöhnlichen Frau interessiert, darf hier zugreifen. Man erfährt neben biografischen Angaben viel über die damalige Zeit, den Ausbau des Schlosses, ihr Mäzenatentum in Laufenburg und durch ihren zweiten Ehemann Robert Freund viel über die Musik gegen Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach dem eigentlichen Werk folgen sieben Kapitel, in denen einige der wichtigsten Wegbegleiter ebenfalls vorgestellt werden, danach folgt ein Überblick über die Immobilien; das Schloss aber auch die von ihr gestiftete Kinderschule Mariagrün. Wer dann immer noch nicht genug hat findet im rund fünfzig Seiten langen Anhang weitere Informationen. Zahlreiches Bild- und Fotomaterial runden den positiven Gesamteindruck ab, zudem gibt es einen kleinen “Film zum Buch”, auf den ein QR-Code verweist.

Cover © Gmeiner

Wertung: 10/15 dpt

 


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