Wer einmal in die Verlegenheit gerät, den eigenen Kindern bei ihren Mathe-Hausaufgaben aushelfen zu müssen, merkt: An der Art, wie da Mathematik betrieben wird, hat sich viel geändert, seit man selbst als Schüler mit Geodreieck und Zirkel hantierte. "Ich hab das so gelernt", sagt man hilflos und macht (mehr schlecht als recht) vor, wie man die Gleichung lösen würde. Dass es auch in der Mathematik verschiedene Lösungsverfahren gibt, hätte man irgendwie nicht erwartet.

Dieses Überraschungsmoment nutzt der US-amerikanische Mathematiker Philip Ording in seinem Buch 99 Variationen eines Beweises. Neunundneunzigmal zeigt er, wie sich beweisen lässt, dass die simple Gleichung x³ − 6x² + 11x − 6 = 2x − 2 genau zwei Lösungen hat: x = 1 oder x = 4. Der Weg zu diesen zwei Lösungen aber ist zum Glück nicht immer der gleiche, und hier fängt die Sache an, interessant zu werden. Die Auswahl der Routen, die Ording in seinem Buch vorstellt, reicht von "12. Mit Zirkel und Lineal" über "75. Rechenschieber" bis zu "88. Algorithmisch". Welche Route man einschlagen möchte, ist abhängig von stilistischen Präferenzen und der eigenen mathematischen Sportlichkeit. Inspiriert zu dieser charmanten Übung haben Ording, der am Sarah Lawrence College in New York Mathematik lehrt, die Exercices de stil des französischen Dichters und Schriftstellers Raymond Queneau.