„Städte lesen: Das janusköpfige Iaşi“

Glanz und Abgrund der rumänischen Kultur

56:08 Minuten
Museum der Altmoldauischen Literatur und Kirche St. Nicolas in Iasi, Rumänien.
Museum der Altmoldauischen Literatur und Kirche St. Nicolas in Iaşi. In Stadt im Nordosten Rumäniens findet das größte Literaturfestival Osteuropas statt. © Imago / Volker Preußer
Von Katrin Hillgruber · 07.03.2021
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Städte haben ihre eigene Geschichte. Besonders spannend, reich und wechselhaft ist die von Iaşi im Nordosten Rumäniens. Einst Zentrum der Moderne, dann Schauplatz von Pogromen. Heute findet dort das größte Literaturfestival Osteuropas statt.
Es ist eine Gegend, die man nicht im Blick hat. Und in der sich doch die wechselhafte Geschichte Europas in all ihren Facetten beispielhaft ablesen lässt: Im äußersten Nordosten Rumäniens, unweit der Grenze zur Republik Moldau, erstreckt sich über mehrere Hügel Iaşi, die viertgrößte Stadt Rumäniens, Zentrum der Region Moldau und Sitz der ältesten Universität des Landes.

Von seinen Bewohnern "Unser kleines Rom" genannt, verbindet sich hier europäische mit rumänischer Geschichte, mittelalterliche Vergangenheit mit vibrierender Gegenwart. Iaşi pflegt sein kulturelles Erbe. Viele seiner Schulen sind nach Dichtern benannt, ihre ehemaligen Wohnhäuser wurden zu Literaturmuseen umgestaltet. Jedes Jahr findet unter großer Anteilnahme der Bevölkerung FILIT statt, das größte Literaturfestival Osteuropas. Gerne reisen dazu auch Autoren wie der Amerikaner Jonathan Franzen an. Das literarische Leben in Iaşi hat Tradition.

Reise durch die Zeit

In der Villa des Dichters Vasile Pogor traf sich ab 1863 die literarische Gesellschaft Junimea ("strahlende Jugend"). Autoren wie Mihai Eminescu oder der volkstümliche Schwankdichter Ion Creangă debattierten mit Kritikern wie dem einflussreichen Titu Maiorescu und entwickelten dabei die Grundlagen des modernen Rumänisch.

Als Hort der Wissenschaft und der Künste erlebte die Stadt Ende des 19. Jahrhunderts ihre absolute Blütezeit. Noch heute zeugen davon elegante Bauten wie der imposante Kulturpalast im neogotischen Stil mit seinen silbergrauen Zinnen, das prächtige Nationaltheater der Wiener Architekten Fellner und Helmer oder das Hotel Trajan, das Gustave Eiffel, der Schöpfer des Eiffelturms, entwarf.


Im 20. Jahrhundert dann wurde Iaşi zur Ideenschmiede der faschistischen "Eisernen Garde". Mit verheerenden Folgen. An einem Junitag 1941 massakrierten Anhänger des mit Nazi-Deutschland verbündeten Antonescu-Regimes mehr als 13.000 Juden.

Eine Reise durch die Zeit, eine Erkundung der Licht- und Schattenseiten des "rumänischen Oxford", das in Konkurrenz zur Hauptstadt Bukarest als Kulturmetropole des Landes gilt.
(huk)

"Städte lesen: Das janusköpfige Iaşi"
Glanz und Abgrund der rumänischen Kultur
Von Katrin Hillgruber
Es sprachen: Maria Hartmann, Markus Hoffmann, Robert Frank, Torsten Föste und Frauke Poolmann
Ton: Thomas Monnerjahn
Regie: Klaus-Michael Klingsporn
Redaktion: Carsten Hueck und Wiebke Porombka
Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2021

Literatur:

Europa erlesen: Moldau / Moldova. Hgg. von Markus Bauer

Wieser Verlag, Klagenfurt 2017. S. 37f (D. Cantemir), S. 159f (E. C. Döbel)

Europa erlesen: Iaşi / Jassy. Hgg. von Markus Bauer
Wieser Verlag, Klagenfurt 2018. S. 76 (R. Ker Porter), S. 160 (G. Topârceanu: "In Iaşi", übersetzt von Markus Bauer), S. 189 ff. (I. Teodoranu), S. 199 (Y. Shraibman)

Johannes Gelich: Die Spur des Bibliothekars
Otto Müller Verlag, Salzburg 2003, S. 61f.

Mihai Eminescu: "An einsamen Pappeln…".
Übersetzung von costel-marian auf www.lyricstranslate.com

Oliver Jens Schmitt: Căpitan Codreanu. Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers
Zsolnay Verlag, Wien 2016

Curzio Malaparte: Kaputt
Aus dem Italienischen von Hellmut Ludwig. Zsolnay Verlag, Wien 2005, S. 161f.

Dan Lungu: Das Hühnerparadies. Ein falscher Roman aus Gerüchten und Geheimnissen
Aus dem Rumänischen von Aranca Munteanu. Residenz Verlag, S. Pölten und Salzburg 2007, S. 30f.

Cătălin Mihuleac: Oxenberg und Bernstein
Aus dem Rumänischen von Ernest Wichner. Zsolnay Verlag, Wien 2018, S. 19.

Das Manuskript können Sie hier herunterladen.
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