Natürlich
hängt vieles von persönlichen Erwartungen ab. Und überhaupt ist ja die Frage,
ob man anhand dieser Klagenfurter Tage ohnehin Allgemeines über die
deutschsprachige Gegenwartsliteratur sagen kann, inzwischen so alt, dass man
ihr einen angenehm gepolsterten Sitzplatz und einen Eierlikör anbieten möchte
und sie dann besser in Ruhe lässt.
Falls
man sie doch stellt, sollte man sie aus Selbstschutz besser verneinen, um die
letzten Restposten an Hoffnung zu bewahren. Die 45. Tage der deutschsprachigen
Literatur waren leider überwiegend keine guten. Im vergangenen Jahr war das
auch schon der Fall, allerdings lag es da noch an den pandemiebedingten
Neuerungen und ihrer andauernden Thematisierung. Dieses Mal lag es an den
Texten selbst.
Aus der im Vergleich zu den Vorjahren bemerkenswert trüben Sammlung stach kaum ein Beitrag heraus: In Nava Ebrahimis Der Cousin, der am Ende auch den Bachmannpreis erhielt, trafen eine Schriftstellerin und ihr Vetter, ein Tänzer, in New York aufeinander, in ihrer Mitte die biografischen Leerstellen und Brüche, um die der Text einen literarisch geistreichen Umgang mit der Frage inszeniert: nach Erzählbarem und Unerzählbarem. Timon Karl Kaleytas Mein Freund am See war das hintersinnige Porträt eines autoritären Mickermännchens. Dana Vowinckels Text Gewässer im Ziplock, der von einer jüdischen Familie erzählte, fiel durch seine gewandte Komposition auf. Der sprachliche und formale Gestaltungswille der Autorin Verena Gotthardt ließ eine ästhetische Selbstständigkeit erahnen, die vielen anderen fehlte.
Der Bachmann-Preis scheint sich darüber hinaus nun als Nachwuchspreis eingerichtet zu haben. Es gab ein wenig autobiografisch geföhnten Realismus. Es gab soliden Kunsthandwerksfleiß, mit dem dann zum Beispiel von einer Frau in einer trostlosen Ehe erzählt wurde, die sich in das Leben von jemand anderem wünscht. Es gab unbeholfene, trotzige Lifestyle-Kritik ohne Komik und Pointen und manifesthaft angestrengte Zeitkritik, ebenfalls mit kaum Komik und Pointen. Und es gab ein gutes Beispiel dafür, dass ein Text nicht sinnlicher wird, wenn das Wort "Körper" sehr oft darin vorkommt.
Die
Jury, der zum ersten Mal Insa Wilke vorsaß, widmete sich allen mit einem
heiligen Ernst, der angesichts mancher Prosa leider etwas goldig wirken konnte
– nicht nur weil die Neujurorin Vea Kaiser ihre Redebeiträge vor allem mit dem
schmalen Vokabular "großartig" und "grandios" bestritt. Sondern es war auch die
Dissonanz zwischen dem, was ein Text bot, und dem, was die Kritik aus ihm
machte. Oft war es die umschweifige Analyse des "Formprinzips" (ein auch sehr
strapaziertes Wort dieser Tage), die selbst zur Wertung wurde, obwohl sie meist nur deskriptiv war. Und es gehört wohl zu
den Resten kunstreligiöser Besinnlichkeit, noch in den kleinsten Wörtern oder
Begebenheiten einen Abglanz größerer Werke zu sehen, und allein die Tatsache
dieser Assoziation, so unpassend oder passend sie auch sei, schon für eine
Qualität des Textes zu halten. Und man kann das im Zweifel auch machen: in jedem
Mineralgestein einen Adalbert Stifter erkennen, in jeder bäuerlichen Seelenqual einen
Josef Winkler und in jedem düstren Nachtgewölke einen David Lynch. Man muss nur
aufpassen, nicht zu denen zu gehören, die vor einem verbrannten Stück Toast
noch eine Marienerscheinung haben.
Je länger man der siebenköpfigen Jury in
diesem Jahr zuhörte, desto größer konnte auch der Wunsch werden nach Pointiertheit,
nach Witz und nach Schärfe der Kritik. Dieses Verlangen konnten bisweilen nur
Mara Delius und der hauptberuflich überspannt dazwischenredende Philipp Tingler erfüllen,
der als einziger in dieser Runde anzuerkennen schien, dass der Bachmann-Preis in
Klagenfurt nicht nur Kunstandacht, Literaturvermittlung und hermeneutisches
Zirkeltraining ist, sondern auch Entertainment, selbst, wenn das manche nur ungern hören.
Doch darüber kann man ja auch im nächsten
Jahr weiterreden. Der Wörthersee glitzert und die Wörter "grandios" und
"großartig" haben nun Ferien. Jedenfalls: endlich Stille.
Natürlich
hängt vieles von persönlichen Erwartungen ab. Und überhaupt ist ja die Frage,
ob man anhand dieser Klagenfurter Tage ohnehin Allgemeines über die
deutschsprachige Gegenwartsliteratur sagen kann, inzwischen so alt, dass man
ihr einen angenehm gepolsterten Sitzplatz und einen Eierlikör anbieten möchte
und sie dann besser in Ruhe lässt.
Falls
man sie doch stellt, sollte man sie aus Selbstschutz besser verneinen, um die
letzten Restposten an Hoffnung zu bewahren. Die 45. Tage der deutschsprachigen
Literatur waren leider überwiegend keine guten. Im vergangenen Jahr war das
auch schon der Fall, allerdings lag es da noch an den pandemiebedingten
Neuerungen und ihrer andauernden Thematisierung. Dieses Mal lag es an den
Texten selbst.