(fast) Alle Romane Mario Vargas Llosas. Zum Einstieg: Zwei Rohrkrepierer und eine kluge Novelle.

Nachdem ich ein paar alte Rezensionen gesammelt habe, habe ich mich entschlossen, soweit als möglich das Gesamtwerk Mario Vargas Llosas zu besprechen. Die beiden bis heute gelungensten und bedeutendsten Romane habe ich bereits hier und hier besprochen, zu Gespräch in der ‚Kathedrale‘ gibt es hier noch eine weitere Notiz. Den dritten Roman, den ich wohl nie wieder lesen werde, findet man hier. Weitere Rezensionen werden folgen. Jetzt erstmal: Zwei Rohrkrepierer und eine kluge Novelle.

Maytas Geschichte

Maytas Geschichte ist einer von nur zwei (jetzt drei) Romanen Vargas Llosas, bei denen ich mir nicht vorstellen kann, dass ich sie noch einmal lesen werde. Die Geschichte an sich ist leidlich interessant, einmal mehr folgt der Autor den Desillusionierungen linker revolutionärer Vorstellungen. Ein chaotischer Aufstand im provinziellen Jauja wird als Vorgriff der späteren Barbarei des leuchtenden Pfades stilisiert. Ein Schriftsteller folgt dabei den Spuren des Revolutionärs Mayta Jahrzehnte später durch ein Peru der achtziger Jahre, das am Rande des Bürgerkriegs samt internationaler Intervention geschildert wird, also noch einmal deutlich übler als das reale zerrissene Peru der gleichen realen Zeit. Aber mit der Zeit ermüdet das immergleiche Chronistenschema, nach dem dem fiktiven Schriftsteller Bekannte Maytas über dessen Vergangenheit erzählen, dann in die vergangene Handlung gesprungen wird, als geschehe sie gerade, wobei das Erzählte teils bestätigt, teils konterkariert wird. Llosas in Das Grüne Haus so virtuos gehandhabtes Verfahren der Zeitsprünge, das ja den Kern der Erzählweise dieses Klassikers ausmacht, wirkt hier schrecklich aufgesetzt, als spiele ein Autor einfach seinen Stiefel herunter. Maytas Geschichte ist kein schlechter Roman, aber auch kein guter. Dutzendware, wie sie Llosas unwürdig ist.

Der Hauptmann uns sein Frauenbatallion

Auch Der Hauptmann uns sein Frauenbatallion ist im Vergleich mit dem übrigen Werk ein Totalausfall. Nicht, weil der Autor sich einem vordergründig „leichteren“ Ton zuwendet. Das war ja nach den beiden Romanen, in denen die Romanform zu ihrer heute überhaupt denkbar größten Komplexität ausgereizt wurde, kaum zu vermeiden. Den totalen Roman, wie der Autor sich ausdrückte, schreibt man nicht zweimal.
Der Hauptmann und sein Frauenbatallion hat eine groteske Prämisse, ein Hauptmann baut ein Prostituiertenbataillon auf um die sexuellen Übergriffe in der Selva (im peruanischen Dschungel also) zu bekämpfen. Das hätte eine bitterböse Satire auf Machismo bzw. Sexismus in der Truppe und in der peruanischen Gesellschaft werden können, ein Thema, das der Autor ja immer mal wieder angeht. Aber das Ganze wirkt schrecklich routiniert heruntergeschrieben. Größtenteils in Briefen und Tagesbefehlen, kaum mit jener dialogischen Spannung, die Llosa sonst auszeichnet. So bleibt das Ganze dann trotz der parallel erzählten Geschichte über eine Sekte, die sich in der Region breitmacht, über weite Strecken ein Thesenpapier anstatt eines Romanes.

Wer hat Palomino Molero umgebracht?

Sonst aber sind Llosas Romane fast immer überdurchschnittlich bis großartig. Das gilt auch für den eher schmalen Band Wer hat Palomino Molero umgebracht?, auch bereits aus der Zeit, in der sich der Autor an populäreren Formen versuchte (dazu mehr in späteren Artikeln). Das geschah durchaus aus der Konsequenz des Werkes heraus, mit Das grüne Haus und Gespräch in der Kathedrale hat der Autor sein Projekt des „totalen Romans“ zu einer Perfektion gebracht, die jeden weiteren Versuch in diese Richtung wie einen müden Abklatsch hätte wirken lassen. Aber in Palomino Molero kommt, anders als in den beiden zuvor besprochenen Texten, der hervorragende Takt zur Entfaltung, den Llosa in seinen großen Romanen entwickelt hat, der federleichte Wechsel zwischen knallharten Dialogen, bildhaften Beschreibungen und unaufdringlichen Rückblenden. Trotzdem ist es natürlich im Vergleich ein Leichtgewicht und wer die ganz großen Meisterwerke sucht wird immer wieder zum Llosa der sechziger Jahre zurückkehren.

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