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Zu dem Gedicht von Carles Riba (* 23. September 1893 Barcelona, † 12 Juli 1959 ebd.) neulich erreichten mich zwei weitere deutsche Fassungen, hierunter mit Dank!
Per amunt la brancada pura
I en els ulls el món oblidant-se
I en els teus braços l’esperança
L’aigua corre i el temps s’atura
L’aigua sofreix i el temps sospira
Som vells com la fulla i com l’ona
Com el somni que ens empresona
Entre tu i jo una rosa expira
A la rosa i a tu estimada
He donat tardor i primavera
Com una mirada lleugera
En la nit a una ombra pensada.
Ganz zuoberst das Geäst so rein
Und in deinen Augen vergißt sich die Welt
Und in deinen Armen Hoffnung sich hält
Es rinnt das Wasser und die Zeit hält ein
Es darbt das Wasser und es seufzt die Zeit
Alt sind wir wie Blatt und Wogen
Wie der Traum der uns in Bann gezogen
Wird eine Rose zwischen dir und mir zu Ewigkeit
Der Rose und dir o Geliebte mein
Gab ich den Herbst und das frühe Jahr
Wie ein leichter Blick nachts war
Geworfen auf der Schatten Schein
Stegreifübersetzung von Alexandra Bernhardt
Dort oben nur die reinen Zweige
Und in den Augen Welt, vergessend,
Und Hoffnung ruht in deinen Armen
Das Wasser rinnt, die Zeit bleibt stehen
Das Wasser leidet, Zeit muss schluchzen
Wir sind so alt wie Blatt und Welle
So wie der Traum, der uns ein Kerker
Und zwischen dir und mir stirbt eine Rose
Der Rose und auch dir, Geliebte
Hab Herbst und Frühjahr ich gegeben
Wie einen Blick, vorbei nur streifend,
des Nachts einem gedachten Schatten
Übertragen von Àxel Sanjosé, kaum Stegreif, überschüssige Hebung in der 8. Zeile
Die große Herausforderung einer Übertragung dieses Gedichts scheint mir der suggestive Ton des Originals zu sein – wobei Ton zugleich „Sound“ und sprachlich-stlistische Gestalt meint. Was so nonchalant daherkommt, vermeintlich schlicht in Reim und Meter, entfaltet klanglich ein komplexes Gebilde aus titanisch an die „riba“ der Zeit brandenden Wellen: wir spüren die Vergänglichkeit, ahnen schaudernd die Schwere des Augenblicks und sind doch ewig in der beharrlichen Wiederholung der Begegnung – ob tatsächlich oder gedacht.
Et voilà – en pleine humilité – la version numéro quatre:
Dort oben sieh die reinen Zweige
Und deine Augen Welt vergessend
Und deine Arme Hoffnung tragend
Das Wasser läuft, die Zeit hält inne
Das Wasser leidet, die Zeit schluchzt auf
So alt sind wir wie Blatt und Welle
So wie ein Traum für uns ein Kerker
Die Rose zwischen uns haucht aus
Der Rose und auch dir Geliebte
Geschenkt hab’ ich den Herbst und Frühling
Darin ganz gleich den flüchtgen Blicken
Des Nachts auf nur gedachte Schatten
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