Comic

Der Kampf der Angela Davis

Das Comic-Duo Fabien Grolleau und Nicolas Pitz zeichnet in seinem Comic »Gejagt« Leben und Kampf von Angela Davis nach. Die Geschichte zeigt Davis’ Bedeutung für die Bürgerrechts- und Frauenbewegung – damals wie heute.

Diese Geschichte beginnt und endet mit Gewalt. Als Kind erlebt Angela Davis, wie in ihrem Viertel in Birmingham, dem so genannten Dynamite Hill, immer wieder der Ku-Klux-Klan einfällt und Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser verübt. Im Fernsehen sieht sie, wie in Little Rock die ersten schwarzen Schüler:innen an der öffentlichen Schule von einem weißen Mob beleidigt und bespuckt werden. Sie wird Zeugin des Angriffs weißer Rassisten auf schwarze Friedensaktivisten in Montgomery 1961 und der Bürgerrechtsproteste in Birmingham 1963. Selbst ist sie noch nicht Teil der Bewegung, Anfang der 60er studiert sie in Paris. Ihre Eltern gehen für sie auf die Straße und ermutigen sie, weiter zu studieren, statt sich den immer gewaltsamer werdenden Protesten anzuschließen. »Die neue Welt wird viel eher Hoffnung benötigen als mehr Waffen«, sagt ihr ihre Mutter im Comic am Telefon.

1965, inzwischen studiert sie in Frankfurt, kehrt sie doch zurück. »Europa war eine nette Abwechslung, aber ich will Teil davon sein, was bei uns passiert«, schreibt sie, bevor sie zurück in die USA geht. Dort sieht sie ein TV-Auftritt des jungen Black-Panther-Aktivisten Fred Hampton (dessen Geschichte Shaka King mit »Judas And The Black Messiah« eindrucksvoll verfilmt hat) und will sich dem bewaffneten Kampf anschließen. Allerdings stößt ihr der Chauvinismus in deren Reihen auf, so dass sie sich einem Arm der verbotenen Kommunistischen Partei anschließt, deren Mitglieder in den USA schon seit Jahren staatlich verfolgt werden.

Fabien Grolleau, Nicolas Pitz: Gejagt. Die Flucht der Angela Davis. Aus dem Französischen von Jano Rohleder. Cross Cult 2021. 136 Seiten. 25,- Euro. Hier bestellen.

Als sich Davis 1969 bei ihrer Antrittsvorlesung als Professorin für Philosophie an der Universität von Kalifornien als Sympathisantin der Kommunistischen Partei outet, gerät sie nicht nur ins Fadenkreuz der staatlichen Sicherheitsbehörden, die unter FBI-Chef J. Edgar Hoover der KP den Kampf angesagt haben, sondern auch die Morddrohungen der weißen Rassisten nehmen zu. Doch je prominenter ihr Fall medial und politisch diskutiert wird, desto heller leuchtet ihr Stern unter den Bürgerrechtler:innen. Als sie erstmals öffentlich von einem Völkermord an den Schwarzen Amerikaner:innen spricht, steigt sie – nach Medgar Evers, Martin Luther King und Malcom X – endgültig zur Ikone der Bewegung auf.

In realistischen Bildern zeichnet der Comic von Fabien Grolleau und Nicolas Pitz das Leben von Angela Davis in – zugegeben – recht großen Bögen nach. Er verschränkt dieses Leben aber auch mit der Geschichte des amerikanischen Rassismus im 20. Jahrhundert sowie dem politischen Kampf gegen die Bürgerrechtsbewegung allgemein und Angela Davis’ Engagement im besonderen. Das Resultat ist ein vielseitiges Porträt des gesellschaftspolitischen Klimas in den USA in den sechziger und siebziger Jahren.

Deshalb ist dieser Comic auch von einer Spur der Gewalt durchzogen. Kaum eine Doppelseite, auf der nicht Polizeigewalt, rassistische Übergriffe aus der weißen Bevölkerung oder der Tod prominenter Aktivist:innen vermeldet wird. So zeigt das franko-belgische Duo hinter dem Album nicht nur, wie allgegenwärtig Gewalt und tödlicher Hass auf die Schwarze Bevölkerung war, sondern auch, wie stark dieser Alltag Angela Davis geprägt hat.

»Gejagt« erzählt aber nicht nur die in offiziellen Dokumenten nachlesbare Geschichte von Angela Davis, sondern auch persönliche Erlebnisse, die aus ihrer Korrespondenz hervorgehen. Etwa die hinter ihrem Einsatz für den Black-Panther-Aktivisten George Jackson, der sie in Briefen aus dem Gefängnis darum bat, sich um seinen kleinen Bruder Jonathan zu kümmern. Diesen Briefwechsel zeichnet der Comic geduldig nach. Er ist das Dokument einer Amour Fou, aber auch Beleg dafür, wie aus einem schwarzen Straßenkind in Chicago ein Black-Panther-Aktivist werden musste.

Jon wird in einem Akt der Verzweiflung Geiseln nehmen, um seinen Bruder zu befreien. Die Geiselnahme endet für ihn tödlich. Auch für Angela Davis hat die Geiselnahme Folgen, denn der Junge hatte Davis’ Waffe entwendet, die nun im Zusammenhang mit dem Tod eines Richters steht. Der amerikanische Inlandsgeheimdienst setzt sie daraufhin auf die Liste der zehn meist gesuchten Personen. Davis muss untertauchen, will sich nicht in die Fänge des FBI geraten. Diese »Flucht der Angela Davis« gibt dem Comic nicht nur seinen Untertitel, sondern strukturiert auch die Erzählung, deren Chronologie immer wieder von Momentaufnahmen der unerbittlichen Jagd des FBI auf die Schwarze Aktivistin im Jahr 1970 unterbrochen wird.

Der Comic schließt mit Haft und Prozess gegen Angela Davis, die in der Zeit unter anderem von Aretha Franklin und Nina Simone unterstützt wird. Vor dem Hintergrund lohnt sich die begleitende Lektüre von »Black & Proud«, einem Comic der beiden Franzosen Brüno und Hervé Bourhis, in dem die »Free Angela«-Kampagne als eine die Musikszene der Siebziger beeinflussende aufgeführt wird. Deutlich wird hier, dass Davis den Kampf für die Sache bewusst geführt und dabei auch die eigene Gesundheit riskiert hat.

Black & Proud ist eine Chronik des vielleicht wichtigsten Musikgenres unserer Zeit. Die Fülle der wegweisenden Songs ist so groß, dass jedem Jahr ab 1945 eine eigene Doppelseite gewidmet wird. Die Entwicklung von Subgenres und die Karrieren herausragender KünstlerInnen stehen dabei zwar im Fokus, doch auch die politische Lage der jeweiligen Zeit und die Fortschritte der Bürgerrechtsbewegung in den USA werden thematisiert.

Dass die Wirkung ihres Kampfes über diese Zeit hinausgeht, zeigen Grolleau und Pitz auf den letzten Seiten ihres lesenswerten Comics, der dem historischen Kampf der Schwarzen Bevölkerung um Gleichberechtigung zusätzliche Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit beschert. Da weiten sie den Blick und lenken ihn von der historische Schau zu den Black Lives Matter-Protesten, in denen sich die Polizeigewalt gegen Frauen, LGBTIQ, Schwarze, Latinos, First Nations, Arme, Kranke und Unterdrückte fortschreibt. In einer Demokratie geht alle Macht vom Volke aus. »Gejagt« zeigt eindrücklich, dass die Macht erst einmal zum Volk muss. Der entsprechende Schlachtruf »Power to the People« hat nichts von seiner Gültigkeit verloren, die Geschichte von Angela Davis steht stellvertretend dafür.

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