Viktor Martinowitsch, vermutlich der bedeutendste belarussische Schriftsteller der Gegenwart, ist ein mutiger Mann. Er gehört zu den Kritikern seiner Regierung. Daheim darf er nicht mehr publizieren; jederzeit muss er mit seiner Verhaftung rechnen. Dennoch kehrt er von Reisen stets nach Hause zurück. Vor einigen Wochen trafen wir uns in Hamburg zum Gespräch. Auf elektronischem Wege hat er nun, von Belarus aus, seine Aussagen aktualisiert. Soeben, so schreibt er uns in seiner jüngsten Mail, habe man die letzten Exemplare seiner Bücher aus den belarussischen Buchhandlungen entfernt. Er beendet die Nachricht sarkastisch: "Es ist Juni, der Himmel ist blau, die Spatzen zwitschern. Mein Körper und meine Seele sind am Leben. Warum sollte ich also traurig sein, nur weil ich als Autor tot bin?" Da Viktor Martinowitsch in der Sowjetunion aufwuchs, der sein Land bis zu deren Auflösung 1991 angehörte, ist er der ideale Mann, um uns, nun ja, die Weltlage zu erklären.