Noemi Somalvico: Ist hier das Jenseits, fragt Schwein

Schwein, Dachs und Reh besuchen Gott und machen einen Ausflug: Noemi Somalvico überrascht in ihrem Debüt Ist hier das Jenseits, fragt Schwein mit einer absurden Fabel, die voller Wärme und schräger Einfälle ist.

Noemi Somalvico: Ist hier das Jenseits, fragt Schwein

Die Frage nach dem Jenseits beschäftigt die Menschheit seit tausenden von Jahren. Ist das Leben unendlich und die Zeit auf der Erde nur eine Etappe? Oder sind wir tatsächlich nur eine Ansammlung von Molekülen, die über Jahrtausende ein Bewusstsein ausgebildet haben, das so fortgeschritten ist, dass es die Frage nach einem Leben nach dem Tod stellen kann? Ich bin ja klar in Team zwei unterwegs, verstehe aber, dass es eine sehr anziehende Vorstellung ist, nach dem Tod an einem anderen Ort weitermachen zu können – und vielleicht sogar für gute Taten späten Lohn zu bekommen. Als ehemaliger Katholik hätte ich da natürlich noch viel hinzuzufügen, aber das lassen wir jetzt mal.

Noemi Somalvico bricht die vielen religiösen Verstrickungen um das Jenseits in ihrem Debüt Ist hier das Jenseits, fragt Schwein mit leichter Hand auf. Was wir als Leser*innen hier präsentiert bekommen, ist erstmal keine Reflexion eines möglichen Lebens nach dem Tod, keine Bekenntnisse eines oder einer möglichen Heiligen, keine Offenbarung. Sondern eine bewusst naiv gehaltene Fabel, die einfache Sätze benutzt, um eine kleine, bezaubernde Geschichte zu erzählen, die wie zufällig ins Jenseits führt. Spoiler Alert: Es stirbt dabei aber niemand.

In der Geschichte lernen wir Schwein kennen, ein etwas trauriges Tier ohne viele Freunde und wenig Freude am Leben. Hinzu kommt Dachs, ein Erfinder mit einer Maschine, die Zeit- und Dimensionssprünge erlaubt. Als die beiden eine kleine Reise zusammen wagen, landen sie durch Zufall bei Gott. Auch er befindet sich nicht in seiner besten Phase, ist gelangweilt und vielleicht ein wenig depressiv. Zusammen beschließen sie, ins Jenseits zu fahren – da wollte Gott eh schon immer mal hin.

Irgendwie so könnte man den Plot beschreiben. Das schmale Buch schafft es dabei sofort, die Leser*innen an die Hand zu nehmen und in den kleinen Kosmos von Ist hier das Jenseits, fragt Schwein zu entführen. Die Welt der Tiere ist nicht weit weg von unserer, wirkt fast wie ein direktes Abbild, nur dass eben Tiere drin wohnen – der Kniff einer klassischen Fabel also. Die leichte Verzerrung unserer Wirklichkeit hilft dabei, alles mit den Tieren und der ruhigen Erzählstimme noch einmal neu oder zumindest anders wahrzunehmen. Wie viel so ein wenig Verfremdung doch ausmachen kann!

Zusätzlich zur erfrischenden Erzählweise und schönen Verfremdung wird hier auch Kritik eingestreut. So sagen befreundete Gött*innen einmal zu Gott in Hinsicht auf seine Erde:

Willst du so viele Städte, so viel Verkehr? Du hast ja kaum noch freies Land. Warum tust du nichts? Mit deiner passiven Haltung geht dieses Ding früher oder später den Bach runter. Mach doch mal einen Kurs. Entwicklungsstrategie, Fortschritt oder so.

In solchen Momenten wird die Parabel klar, die die Fabel erzählt. Natürlich könnte man das wörtlich nehmen und denken, »Ja, klar, Gott könnte auch mal was gegen den Klimawandel tun, wäre ja einfacher«. Oder vielleicht ist Gott hier ja nur ein Platzhalter für uns Menschen, die alte Muster hinter sich lassen müssen, um in einer gemeinsamen Anstrengung unseren Planeten zu retten. Vielleicht stellt sich dann auch die Frage nach dem Jenseits nicht mehr in ganz so starker Dringlichkeit.

Kritik habe ich dabei nur ganz formal: Der Satz, also die Textgestaltung des schmalen Bandes hat sich mir überhaupt nicht erschlossen und erschwert das Lesen durch komplett unregelmäßige Absätze und dadurch immer wieder sehr weite oder enge Zeilen. Das macht den Text nicht schlechter, aber das ansonsten so hübsche Buch hätte da noch besser sein können.

Ist hier das Jenseits, fragt Schwein ist ein schöner, kurzweiliger Text voller erfrischender Einfälle und mit einer kleinen aber feinen Fabel, die Spaß macht und dabei auch nicht an Kritik spart. Ein Vergnügen.

Noemi Somalvico

Ist hier das Jenseits, fragt Schwein

Voland & Quist

144 Seiten | 18 Euro

Erschienen im Januar 2022

Kategorie Blog, Indiebooks, Rezensionen
Autor

Ich bin im Niemandsland von NRW zwischen Tagebauten und Kraftwerken aufgewachsen, da gab es nur wenige Argumente gegen ausgiebiges Lesen, um der Tristesse zu entkommen. Dann ging es nach Aachen, später nach Köln, dann nach Göttingen und nun lebe ich in Berlin und arbeite als Buchhersteller. Nebenbei spiele ich noch in Bands, meine zweite Leidenschaft ist ganz klar die Musik! Oder doch Kochen und Essen? Schwer zu sagen.

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