Der künftig öffentlich zugängliche Nachlass des Lyrikers Rainer Maria Rilke ist in Berlin vorgestellt worden. Die Sammlung gilt als eines der bedeutendsten Autorenarchive des 20. Jahrhunderts und umfasst mehr als 10.000 handschriftliche Seiten mit Entwürfen und Notizen. Hinzu kommen etwa 8.800 Briefe und mehr als 470 Bücher und Zeitschriften mit Anmerkungen und Marginalien aus seiner Bibliothek. Teil der Sammlung sind außerdem 131 bisher unbekannte Zeichnungen Rilkes, etwa 360 Fotografien und 86 bisher weitgehend unbekannte Skizzen- und Taschenbücher.

Die Objekte werden künftig im Deutschen Literaturarchiv Marbach (DLA) öffentlich zugänglich sein. Das sogenannte Rilke-Archiv Gernsbach, das bisher in Privatbesitz war, wurde aus Mitteln des Bundes, des Landes Baden-Württemberg und verschiedener privater Stiftungen erworben.

"Kleine Sensation"

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bezeichnete den Kauf als eine "kleine Sensation". Sie sei gespannt, was die Aufarbeitung an Neuem zutage bringe, sagte Roth bei der Vorstellung in Berlin.

DLA-Direktorin Sandra Richter sprach von einem "Jahrhunderterwerb", auf den das Archiv 70 Jahre hingearbeitet habe. "Wir wollen keinen Gedenkstein für Rilke errichten, sondern ihn zum Sprechen bringen", sagte sie – und kündigte eine erste große Ausstellung zum 150. Geburtstag des Dichters an. Diese werde das Rilke-Bild auch "etwas verändern".

Nachlass bisher im Familienbesitz

Seit dem Tod des Dichters war der Nachlass im Besitz der Familie und wurde zuletzt in einem Privathaus im badischen Gernsbach aufbewahrt. Die Nachkommen Rilkes hatten eine Übergabe an das Archiv lange abgelehnt. Seine Enkelin Hella Sieber-Rilke, die inzwischen verstarb, hatte das Archiv lange selbst gepflegt und nur wenigen Fachleuten einen Zugang gewährt. Nun soll der Nachlass zügig digitalisiert und Literaturforschern und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Rilke, der von 1875 bis 1926 lebte, gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren der Moderne. Er lebte in verschiedenen Ländern Europas und stand mit zahlreichen Intellektuellen seiner Zeit in engem Kontakt.