Von den Helden unserer jüngeren Literatur, den Männern aus der Gruppe 47, sind nur die wenigsten noch unter uns. (Auch Hans Magnus Enzensberger ist jetzt gestorben.) Die Überlebenden aber, diese großen Letzten, produzieren, durch allerlei Shit-Stürme in Jahrzehnten gegerbt, unermüdlich Neues. Im Frühjahr hat etwa Martin Walser, 95 Jahre alt, ein kleines Buch veröffentlicht, in dem er Träume protokolliert; sie sind der Urstoff seines Erzählens.

Peter Handke, der am 6. Dezember 80 Jahre alt wird und der Gruppe 47 einst, als 23-Jähriger, immerhin einen unvergessenen Erledigungsbesuch abstattete (als er bei einer Gruppentagung 1966 in Princeton der Gegenwartsliteratur und somit allen Gruppenmitgliedern "Beschreibungsimpotenz" attestierte), ist von allen der Produktivste. Er hat in diesem Jahr drei Bücher veröffentlicht. Zwei enthalten Miniaturen und Tagebuchaufzeichnungen, um diese Bücher soll es am Ende gehen (sie heißen Innere Dialoge an den Rändern und Die Zeit und die Räume). Beginnen wollen wir mit einem Band namens Zwiegespräch. Handke gibt darin, wie Walser, zu erkennen, woraus er, zumal im Alter, schöpft. Es ist aber nicht der Traum, sondern die Erinnerung: eine im Dialog zutage geförderte Vergangenheit. Handke hat das Zwiegespräch zwei verstorbenen Schauspielern, Bruno Ganz und Otto Sander, zugeeignet. Man ist versucht, den Text mit ihren Stimmen zu lesen. Allerdings nur zu Beginn. Denn beim Lesen kristallisieren sich aus dem Text nicht zwei widersprüchliche Temperamente oder gar Anschauungsprinzipien heraus. Bald ist klar, dass hier nur einer spricht, wie meist, wenn Handke verschiedene Stimmen aufbietet: Es ist der Verfasser. Der sich selbst befragt, ins Wort fällt, bisweilen verhöhnt. Der die Wörter verwirft, sich über den Mund fährt und maßregelt.