Ein Gang zurück, ein Schritt in die Richtige Richtung. Benedict Jackas Lonon (4).

Nachdem der dritte Teil der Reihe ein leichter Durchhänger war, findet „Der Wächter von London“, der vierte Roman in Benedikt Jackas Urban Fantasy London Kosmos, wieder zur Form. Es könnte sogar der stärkste Roman seit dem ersten sein. Das liegt daran, dass der Roman tatsächlich einige der Dinge umsetzt, die ich in meiner Kritik zum dritten vorgeschlagen habe. Vielleicht hat der Autor ja auch bemerkt, dass die Reihe sonst langsam gegen eine Wand laufen würde. „Der Wächter von London“ schaltet bezüglich der Bedrohungen tatsächlich noch einmal einen Gang zurück. Nach zwei sehr großen Bedrohungen und einer mittleren für die gesamte Magierwelt haben diesmal zumindest vordergründig eigentlich nur Alex Verus und seine Freunde Probleme.

Verus wird nämlich von seiner Vergangenheit eingeholt. Der Bruder einer jungen Frau, die er in seiner Zeit als Schwarzmagierlehrling entführt hatte, will sich rächen und hat eine Gruppe von Adepten, also schwächeren Magiern, die nur einen Spruch beherrschen und auch niemals mehr erreichen können, zusammengestellt. Die sehen sich gewissermaßen als Superhelden und wollen nicht nur Verus fertig machen, sondern auch andere Magier, die Adapten und Menschen schlecht behandeln. Und wir wissen ja, dass die Magierwelt relativ skrupellos ist. Das ist eine gute Geschichte voller moralischer Grauzonen, die neben den obligatorischen Konfrontationen Zwischenmenschliches in den Mittelpunkt stellt. Denn darüber, wie man mit diesen Gegnern verfahren soll, herrscht in Alex‘ Gruppe Unklarheit. Immerhin, von der Ausgangslage her sind die tatsächlich die “Guten”. Alex war, wenn auch nicht nach den Gesetzen der Magierwelt, einst der “Böse”. Aber wie viel Leid können die selbst ernannten Superhelden verursachen, ohne nicht selbst mindestens ebenso böse zu sein, oder deutlich schlimmer, da Alex längst bereut hat und versucht, seine Schuld zu tilgen?

Gleichzeitig lernen wir einiges über das Verschwinden und erstmals auch die mögliche Wiederkehr von Alex‘ einstweiligem schwarzmagischen Lehrmeister, und das wiederum ist geschickt verknüpft mit einigen Dingen zu einem besonderen Ritual, über das wir im zweiten Band erfahren haben, sodass im Hintergrund von „Der Wächter von London“ langsam eine große und organisch erwachsende Bedrohung für die Folgebände anschwillt.

Außerdem, wie in der letzten Besprechung von mir auch angemahnt, verwendet Jacka mehr Zeit darauf, Lebensalltag und Lebensumstände der Protagonisten in London in den Blick zu nehmen. So bekommen die Erschütterungen der Beziehungen zwischen den über die vergangenen Bände zusammengekommenen Freunden tatsächlich mehr Gewicht als Ähnliches in den Vorgängerromanen. Und natürlich findet Jacka auch immer wieder atmosphärische Bilder für seine Stadt.

Nicht so wirklich gelungen finde ich, wie am Ende mit den moralischen Grauzonen verfahren wird. Anne, die Lebensmagierin, sagt sich vorerst von Alex los, weil sie nicht verkraften kann, dass der seine Verfolger letztlich alle getötet hat. Das ist an sich lächerlich genug, denn Alex hat zuvor ja unter anderem Anne gerettet, indem er Menschen getötet hat, und die Situation war zum Schluss einfach zu eindeutig, jeder Versuch, die Sache anders zu lösen, war gescheitert. Es ist absolut unplausibel, dass jemand das Alex vorwerfen könnte. Wenn man eine solche Situation kreieren möchte, müsste man das besser ausarbeiten und zeigen, dass Alex eine Abkürzung genommen hat und eine Aussöhnung mit den Gegnern durchaus möglich gewesen wäre. Etwa, indem Anne parallel und möglicherweise erfolgreich an einem alternativen Weg arbeitet. Und als wäre das nicht genug, erklärt Jacka aus dem Mund der weisen Spinne Arachne zum Schluss auch noch mal seitenlang, dass Alex keine andere Wahl hatte und sich entsprechend durchaus im Recht sehen darf. Anne erscheint dadurch wie eine realitätsfremde Idiotin
Dennoch macht der Roman Hoffnung, dass die Reihe das Niveau hält. „Der Wächter von London“ ist größtenteils sehr gelungen, und der Text baut interessante Konflikte für die nächsten Bücher auf.

Bild: wiki, gemeinfrei.

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