Ab jetzt Action von der Ersten Seite. „Der Mörder von London“ von Benedikt Jacka (7).

Nachdem es in den bisherigen Romanen eigentlich immer etwas Vorgeplänkel gab, steigt „Der Mörder von London“, der siebte Teil von Benedict Jackas London-Reihe, direkt in die Action ein. Das ist in diesem Fall gut so. Es hat in den vergangenen Bänden so viele Eskalationen gegeben, dass eine Phase von mehreren Monaten Gemütlichkeit nicht mehr glaubhaft gewesen wäre. Also: Das Angedrohte ist geschehen, Ratsmitglied Levistus will Verus und seine Freunde ermorden lassen. Und nicht einfach so, er hat im Seniorat einen Beschluss erwirkt, nach dem diese exekutiert werden sollen, allerdings in Abwesenheit einiger Mitglieder. Verus hat nun einige Tage Zeit, um die abwesenden Mitglieder dazu zu bringen, ihre Stimmen in seinem Sinne nachzureichen. Das soll vor allem dadurch geschehen, dass er ein Artefakt besorgt, an dem auch sein ehemaliger Lehrer, der mächtige Schwarzmagier Richard Drakh, interessiert ist.

Viel mehr muss man über die Handlung eigentlich nicht wissen. Der Roman hat viel Tempo und einige gelungene Wendungen.

Die Welt der Magier wird derweil für mich immer unglaubwürdiger. Am Anfang schien es, die Weißen Magier seien trotz einiger Probleme durchaus im großen und ganzen so halbwegs die Guten, die Schwarzen mit ihrem Alles-geht-Übermenschen-Fetisch die Bösen. Mit der Zeit sollte das eher in Richtung „folgen Gesetzen“ vs. „sind-chaotisch“ aufgelöst werden, was allerdings daran scheiterte, dass der Autor praktisch keinen Weg fand, chaotisch neutrale oder gar chaotisch gute Schwarzmagier zu zeichnen. Mittlerweile ist mit Lunas neuer Lehrerin Chalice immerhin eine solche Figur aufgetaucht, aber insgesamt erscheinen die Schwarzmagier immer noch als verrückte unkontrollierte Mordbande. Die Unterschiede liegen höchstens darin, dass einige total durchgeknallt sind und andere sich für ihre strategischen Ziele zurückhalten können. Und jetzt kommt auch noch heraus, dass die Weißen praktisch kein kodifiziertes Recht haben und das, nachdem diese Concordia vorher immer so hoch gehalten wurde? Aber der Seniorat kann praktisch jeden Scheiß beschließen, sogar das Ermorden neutraler und schwarzer Magier, per einfachem Mehrheitsbeschluss. Einspruchsfristen sind lächerlich kurz gesetzt, so kurz, dass sie weniger einer gesellschaftlichen Entwicklung als der Notwendigkeit eines spannenden Plots zu entspringen scheinen, und an die lächerlichen Gesetze halten sich die Weißen dann dennoch sowieso die Hälfte der Zeit nicht?
Klar, in unserer Zeit mit ihrem Fetisch für Dekonstruktion kann man sich das schön als Dekonstruktion des Unterschieds zwischen Schwarz- und Weißmagiern zurechtbiegen, aber wirklich stimmen dürfte das nicht. Es ist einfach relativ undurchdacht. Jacka hat sich zuerst nie um chaotisch neutrale und chaotisch gute Figuren gekümmert, und er schießt seine doch als so wichtig aufgebauten Unterschied zwischen Weißen und Schwarzen Magiern sturmreif, weil sonst der Plot mit der tickenden Uhr nicht funktionieren würde. Ich zweifle allerdings, dass eine Magiergesellschaft mit so wenigen verlässlichen Strukturen funktionieren würde. Wie gesagt, der Roman ist ziemlich spannend und auch an der atmosphärischen Front wieder relativ stark, und ich halte das sogenannte Worldbuilding für gewöhnlich in seiner Bedeutung für gelungene Fantasy für überbewertet. Aber hier muss man schon langsam die Hoffnungen begraben, dass aus dem Hintergrundkonflikt und den Unterschieden in der Philosophie von weißer und schwarzer Magie etwas Ernstzunehmendes gebaut wird.

Auch nicht so wirklich gelungen ist, wie jetzt doch noch anderthalb Romanzen in die Reihe geschustert werden. Jetzt, unter all der Bedrohung, scheint sich zwischen Luna und Varian plötzlich etwas zu entwickeln, und auch Anne und Verus, die zusammen fliehen, scheinen sich in dieser Art und Weise zueinander hingezogen zu fühlen. Das soll dann wohl einige emotionale Momente zum Schluss hin stärker machen. Diese emotionalen Momente funktionieren halbwegs, aber das liegt vor allem an der Zeit, die wir mit den Figuren verbracht haben, nicht daran, dass diese Beziehungen stark ausgearbeitet sind. Romanze war bisher einfach kein Thema, was einerseits nicht schlimm ist: dass Figuren immer „geshippt“ werden müssen, ist sowieso auch eine schreckliche Entwicklung moderner Unterhaltungsliteratur. Freundschaften haben durchaus ihren eigenen Wert und dürfen gerne auch in Literatur dargestellt werden. Aber wenn ich einen Romance-Plot möchte, dann sollte ich ihn doch bitte auch tatsächlich entwickeln. Gerade bezüglich Luna wäre das ja hochinteressant gewesen. Wie ist das für eine, die wegen dem Glücks/Pechfluch andere Menschen nicht berühren kann, allerdings mit der Zeit lernt, diesen Fluch zu kontrollieren? Die Problematik wurde im zweiten Buch einmal kurz angedeutet, aber dann nicht weiter verfolgt. Und auch zwischen Anne und Verus konnte man in den letzten Büchern manchmal denken: Komm, da müsste doch was laufen. Aber es lief eben nichts. Auch das ist nicht schrecklich, aber die Art und Weise, wie jetzt im siebten Band Romanzen angedeutet werden, um gewissen Entwicklungen Gewicht zu verleihen, ohne darein und insbesondere auf Seiten von Luna vorher die Arbeit investiert zu haben, wirkt etwas billig.

Aber wie gesagt, beides kein Dealbreaker: Auf der reinen Ebene des Spannungsplots ist „Der Mörder von London“ sogar wieder einer der besseren Bände der Reihe.

Bild: wikiart, gemeinfrei.

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