Pedro Almodóvar ist ein grosser Filmemacher, aber ein sehr kleiner Autor

Der spanische Regisseur veröffentlicht einen Erzählband. Seine Art zu schreiben ist das Gegenteil seiner flirrenden, lustvoll inszenierten Filme: hölzern, prätentiös und langweilig.

Denise Bucher 3 min
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So meisterlich Pedro Almodóvar inszeniert, so kümmerlich schreibt er.

So meisterlich Pedro Almodóvar inszeniert, so kümmerlich schreibt er.

Carlos Alvarez / Getty Images

Sind es Überbleibsel aus seinen Notizbüchern, die ihm für den Altpapierstapel zu schade waren? Zu schade, weil Pedro Almodóvar sich selbst so wichtig nimmt? Der Tonfall im Vorwort zu seinem Erzählband «Der letzte Traum» legt das unangenehm nahe. Es scheint, als ob der spanische Regisseur jeden seiner Gedanken wie einen Edelstein behandeln würde, den es bloss noch zu schleifen gälte. Wäre er ein besserer Schriftsteller, dann hätte er, anders als im Film, nicht auf die Hälfte seiner kostbaren Ideen verzichten müssen, schreibt er sinngemäss in der letzten Erzählung.

Wäre Pedro Almodóvar also Schriftsteller geworden, würden wir ihn nicht kennen. Diese Textsammlung liest sich zäh, und die Geschichten bleiben einem nicht im Gedächtnis haften. Seine Art zu schreiben ist das Gegenteil seiner flirrend kreativen und emotionalen Filme.

Und diese Filme muss man kennen, damit diese Erzählungen überhaupt Sinn ergeben: Es hilft zu wissen, wie lustvoll und überbordend und bunt Almodóvar seine Lieblingsthemen wie Sexualität in all ihren Ausprägungen, Travestie, Liebe, Untreue, Mutterschaft, Religion, Wahnsinn und Rausch jeweils inszeniert, um in diesen simplen Geschichten etwas zu erahnen, was er nur als Filmemacher auszudrücken imstande ist. So meisterlich er inszeniert, so kümmerlich schreibt er.

Anders als seine Filme lassen einen seine Texte gleichgültig. Es ist, als ob er mitschreiben würde, während eine nicht sehr geistreiche Person plaudernd laut denkt. Dabei verharrt er stets an der Oberfläche. Seine Sätze wirken wie Anleitungen für ihn als Regisseur, um diese Wörter auf dem Filmset zum Leben zu erwecken.

Man kann sich vorstellen, wie die Schauspielerinnen und Schauspieler den Figuren Charakter und Seele geben werden. Wahrscheinlich wären es Penélope Cruz, Antonio Banderas, Carmen Maura, Rossy de Palma oder Gael García Bernal. Letzterer könnte als mysteriöse junge Frau in «Der Besuch» diesem Pater gegenübersitzen, den sie besucht, um ihm von seinem damaligen Lieblingsschüler Luis zu erzählen, der vor kurzem ums Leben gekommen sei. In Wahrheit will sie sich rächen für den sexuellen Missbrauch, den Luis damals im Kloster erlitt. Bernal würde das wohl so ähnlich spielen wie seine Rolle in «La mala educación».

Vielleicht wäre Antonio Banderas in «Die Spiegelzeremonie» dabei, in der Almodóvar den Katholizismus, eines seiner Lieblingsmotive, mit einer Vampirgeschichte verknüpft. Das könnte zum Tränenlachen komisch sein. Als Film. Aber eben nicht zum Lesen. Wörter sind für ihn nur eine primitive Vorstufe zu seinem Erzählen in Bildern.

In der letzten Erzählung «Ein schlechter Roman», in dem Almodóvar ziellos über den Unterschied zwischen Literatur und Drehbüchern und jenem zwischen Autor und Regisseur nachdenkt, verrät er versehentlich, warum er dieses Büchlein eigentlich gar nicht hätte herausgeben müssen: Früher habe er einen grossen Roman schreiben wollen, aber dann entdeckt, dass das, was er schrieb, als Spielfilm Erfolg hatte. «Ich begriff, dass diese Texte keine literarischen Erzählungen, sondern Skizzen für Drehbücher waren.»

Damit schliesst er die Klammer zum Vorwort, in denen er seine Erzählungen als «Ergänzungen meiner filmischen Arbeiten» beschreibt. Manche der Texte seien Jahre später tatsächlich zu Filmen geworden, manche würden es irgendwann noch, manche seien aus Langeweile entstanden.

So – langweilig – sind allzu viele Seiten in «Der letzte Traum» auch zu lesen. Almodóvar-Fans sparen sich diese Lektüre besser. Er entzaubert sich damit selbst, weil er seine Eitelkeit entblösst. Das Risiko besteht, dass er einem damit die Freude an seinen Filmen verdirbt. l

Pedro Almodóvar: Der letzte Traum. S. Fischer, 2024. 223 Seiten, um Fr. 34.-, E-Book 19.-

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»