Gaea Schoeters: „Trophäe“

Trophäe
Trophäe von Gaea Schoeters. SWR Bestenliste 03/2024.

Die Jagd als Thema wird in neuzeitlicher Literatur weniger oft aufgegriffen. Ernest Hemingways Die grünen Hügel Afrikas dienen als Paradigma der Jagd von Menschen auf Tieren in Afrika, Herman Melvilles Moby Dick als eine Jagd auf dem Meer, die aber eher eine Rachegeschichte darstellt, und ansonsten vermehrt in volkstümlicher Literatur, die das Jagen romantisieren und als Brauchtum zu verklären drohen, wie bspw. in Hermann Löns Jagdgeschichten aus Mein grünes Buch. Im kulturkritischen Diskurs finden sich weniger Beispiele. Zuletzt wohl nur in Eine runde Sache von Leipziger Buchmesse-Preisträger von 2022 Tomer Gardi, in der ein Mensch einen Menschen jagt. Hieran knüpft nun Gaea Schoeters in Trophäe an:

Der Junge. Der Bulle. Die Welt um sie herum dreht sich weiter, so wie auch das Leben bald weitergehen wird, aber Jäger und Beute stehen still: Zwischen ihnen konzentrieren sich Zeit und Abstand zu diesem kurzen, einzigartigen Augenblick, in dem Leben in Tod umschlägt. Erkenntnis flackert in den braunen Augen des Tieres auf: In einem Augenblick, so abrupt und klar wie die Sonne, die durch einen Riss in den Wolken strahlt, erkennt er die Endlichkeit seiner Existenz.
Gaea Schoeters aus: „Trophäe“

Inhalt/Plot:

Trophäe von Schoeters bedient sich der Jagdromantik, der Safari-Idylle in den afrikanischen Weiten. Sein Protagonist heißt Hunter White, und er lebt seit frühester Kindheit für das Jagen. Sein größter Traum besteht darin, die Trophäen der Big-Five zu komplettieren, d.h. fünf Tiere auf dem afrikanischen Kontinent zu erschießen, von denen einige sehr selten, das Nashorn aber das seltenste ist. Als Vertreter der Zivilisation und als hochrationaler Wallstreet-Finanzmarkt-Erfolgsmensch hat er kein Interesse, das Nashorn illegal zu erschießen, als Wilderer. Er schlägt offizielle Wege ein, und nun steht er nach langer Wartezeit kurz vor dem Ziel seiner Träume:

Hunters Nashorn ist ein älteres Männchen, das genetisch ausrangiert wurde und deshalb eher ein Störfaktor und keine Hilfe ist; die Weibchen wollen sich nicht mehr mit ihm paaren, aber aus Frust gerät es immer wieder mit den anderen Männchen aneinander. Wenn er das überflüssige Männchen ausschaltet, erweist er der Gruppe auf lange Sicht einen wichtigen Dienst.

Im Sinne der Tier- und Naturpflege muss ein bestimmtes, älteres Nashorn umgebracht werden, und der Staat schreibt hierfür Lizenzen in hohen sechsstelligen Summen aus, um die sich Jäger aus der ganzen Welt streiten. Die Wahl ist auf Hunter White gefallen. Sein langjähriger Kompagnon van Heeren, der in Afrika lebt und die meisten von Hunters Jagden organisiert, hat bereits alles vorbereitet. Hunter muss nur noch hinter dem Nashorn leise hinterher stapfen, die Waffe in Anschlag bringen und das Tier mit dem eigenen Gewehr erschießen. Etwas geht jedoch schief. Wilderer durchkreuzen die Pläne und statt einem werden zwei Nashörner erschossen, und nicht von Hunter, der enttäuscht der Polizei Rede und Antwort stehen muss:

Es wird Monate dauern, bevor sich die Aufregung wieder etwas gelegt hat und eine neue Jagd möglich ist. Die Anti-Jagd-Lobby hat den Vorfall dazu genutzt, den Trophäenjägern die Schuld an dem Blutbad zu geben — was vollkommen absurd ist, die Wilderer hätten die Tiere auch so gefunden und abgeknallt, nur hätte dann kein Hahn danach gekräht. Eine amerikanische Tierschutzorganisation hat sogar gegen den International Safari Club geklagt, der die Jagdlizenz versteigert hatte, und die internationale Presse hat den Fall lang und breit diskutiert, weshalb die Debatte über die Großwildjagd weltweit wieder entbrannt ist. In den Talkshows Umweltaktivisten die Trophäenjagd als perverses Reiche-Leute-Hobby für mordlustige Psychopathen dargestellt.

Als Psychopath will Hunter nicht dargestellt werden. Er kämpft für das Gute und verbindet es mit dem Angenehmen. Er kauft Gebiete mit den Mitteln aus seinen Finanztransaktionen, um sie vor der Zivilisation zu schützen. Er unterstützt den Tier- und Naturschutz mit seinen offiziell gekauften Lizenzen. Er möchte einen Teil beitragen, und auch etwas dafür bekommen, aber so, dass die Regeln eingehalten werden. Nach dem Fiasko diskutieren van Heeren und er am Lagerfeuer über Ethik und Moral und meiden keine Extreme:

»Vor ein paar Wochen haben zwei junge Ingenieure, Ehrenamtliche, in einem Dorf hier in der Nähe im Auftrag einer großen NGO, die hier schon länger tätig ist, eine neue Kläranlage aufgebaut. Das Projekt ist Teil eines großen Deals, der mit einer Party in der Villa des Direktors gefeiert wurde […] ein paar der hohen Tiere haben ihren Spaß mit den Mädels. Und eines der Mädchen ist noch ziemlich jung. Um nicht zu sagen: sehr jung. Nach westlichen Maßstäben: noch ein Kind […] es gibt eine Gerichtsverhandlung. Der junge Kerl [der den Missbrauch gemeldet hat] hält sich für einen echten Helden. Denn er hat das Mädchen gerettet. Großartig, oder?«

Die Pointe, das Mädchen wollte weiter in ihren Job arbeiten, das Projekt wurde aber eingestampft, das Dorf leidet nun an Hunger und das Mädchen und seine Familie drohen in der Dürre und durch den ausbleibenden Regen zu sterben. Van Heeren schließt:

Deine westliche Moral ist ein Luxusprodukt, das man sich leisten können muss. Der Rest der Welt muss mit Pragmatismus auskommen.

Mit dieser Steilvorlage präsentiert van Heeren nun die berühmten Big-Six, die nun auch die Jagd auf einen Menschen inkludiert. Van Heeren kümmert sich nämlich um Buschleute, an den Rand gedrängte Stämme und Völker, die vom Staat sogar vergiftet werden. Als Gegenleistung verkauft er für eine halbe Millionen Dollar eine äußerst seltene Lizenz alle drei Jahre, die dem Käufer erlaubt, auf van Heerens Land einen der Buschleute zu jagen und zu töten und als Trophäe mit nach Hause zu nehmen. Hunter White, zuerst angeekelt, findet aber dann doch unwillkürlich Gefallen an dem Gedanken und schlägt ein:

»Und das ist legal?« Van Heeren zuckt mit den Schultern. »So legal wie die Regierung dieses Landes.« Die Stille, die sich über sie legt, ist so laut, dass sie die allgegenwärtigen Geräusche der afrikanischen Nacht aufsaugt wie ein großes schwarzes Vakuum. Der Busch verstummt, sogar die Gottesanbeterinnen machen keinen Mucks. Hunter atmet ein […] Die Stille schwillt zu einem sanften Geraschel an, das langsam Verstärkung findet und zu dem normalen Klang der Nacht heranwächst. »Okay.« Van Heeren hebt sein Glas.

Im abschließenden Teil wird die Bewährungsprobe Hunter Whites beschrieben, denn die Buschleute wollen sich nur von einem guten Jäger töten lassen, und die Jagd auf den jungen Buschmann beginnt.

Stil/Sprache/Form:

Wie bei dem skandalträchtigen Thema zu erwarten, folgt die Sprache eher Schlagwortmustern und nutzt plakative Vergleiche und  Superlative: „beste“, „erste“, „kürzeste“, „unendlich“. Auch reihen sich plakative Beschreibungen wie: „imponiert“, „fasziniert“, frenetische Ekstase“, „überwältigende Schönheit“, „absolut“, „gewaltig“ usw. Die Metaphern wirken teils drastisch und reißerisch und fallen leider oft mit der Tür ins Haus:

Wie ein Raubvogel taucht das Flugzeug am tintenschwarzen Himmel auf […]
[…] sie werden wie Kaninchen abgeschlachtet.
[…] Wie eine Schildkröte, die von einem Lastwagen überfahren wird, so klingt das Geräusch, das der Schlag erzeugt.
[…] Die Giraffe war auf der Stelle tot. Trotzdem hatte sie noch ein paar Schritte gemacht, war sogar gerannt, um dann, wie ein Fabrikschornstein, der abgerissen wird, mit einer Pendelbewegung einzustürzen.

Eine Vermischung von Mensch und Tier, von Tier und Maschine fällt auf. Schoeters arbeitet stark mit Metaphern, die aus der Photographie, aus der Architektur, Technologie und Tierwelt stammen. Die Metaphern nutzen sich aber in der Häufigkeit ab, da sie ohnehin nur dort nicht ornamental wirken können, wo sie durch die Parallelisierung neue Assoziationsfelder eröffnen würden. Bei Schoeters schließen die Metaphern die Beschreibungen ab und erweitern so die Anschauung nicht. Sie dienen einzig der Verstärkung des Eindrucks, und dissoziieren den Erzählvorgang, da sie im Grunde unnötig sind:

Im letzten Abendlicht wirkt die Stadt plötzlich grimmig, Menschen geraten zu gesichtslosen Schatten, die wie ein Hyänenclan um die Autos kreisen.

Hier ersetzt „wie ein Hyänenclan“ nur die Beschreibung, dass die Menschen um Autos herum schleichen und sich abwartend im Hintergrund aufhalten, um dort auf ihre Chance zu warten, etwas wie Nahrung oder Alkohol zu ergattern. Leider bleibt unklar, was „gesichtslose Schatten“ anderes als in Dunkelheit gehüllte Schemen sein sollen. „Trophäe“ von Schoeters bedient sich abbreviativer Schreibmittel und wirkt so gehetzt und liest sich auch so. Dies dürfte eine Hommage an den gewählten Stoff sein, der ja eine Hetzjagd durch den Dschungel beschreibt, umgeht aber auch die Möglichkeit der Zeitdehnung, die Literatur bereithält, nämlich einen schnellen Vorgang trotzdem gründlich beschreiben zu können, statt ihn mimetisch mit einem Pinselstrich grob hin zu skizzieren.

Die Erzählperspektive liest sich als gebrochenes personales Erzählen. Das einleitende Kapitel erzählt aus der Sicht Dawids, dem späteren Begleiter Hunter Whites auf seiner Treibjagd durch den Dschungel, danach beginnt die Chronologie der Ereignisse, durchweg im Präsenz und in dritter Person erzählt. Hier und da schaltet sich auch ein übergeordneter Erzähler ein:

(Den Gedanken, dass seine Recherche bedeutet, dass er die Jungen mittlerweile als Beute ansieht, und die Jagd, die van Heeren ihm angeboten hat, demnach wirklich in Betracht zieht, schiebt er weg, bevor er sich überhaupt ganz entfalten kann.) […]

Genau wie bei der Versteigerung, bei der er (allerdings über einen Strohmann) seine Jagdlizenz für das Nashorn gekauft hat, merkt er, wie sein Körper reagiert: Der Herzmuskel zieht sich zusammen, das Blut pocht in den Adern, Sauerstoff jagt durch seinen Leib. Er, Hunter, wird jagen.

Hiermit ergibt sich ein personales Erzählen, das kommentierend eingreift, und stets ein wenig über den Protagonisten schwebt, also dem Erzählfluss die Souveränität überlässt, so dass das Publikum zum Glück mehr über die Welt zu erfahren und zu wissen scheint, als es für die Figur für sich genommen möglich ist. Stilistisch lehnt sich Gaea Schoeters unbenommen an die Plot getriebene, spannungsgeladene Erzählweise von bspw. John Sinclair-Romanen an:

Kleine, rot leuchtende Augen funkelten darüber, und Bill fühlte unsichtbare Speere in sein Herz jagen. Hätte jetzt jemand seinen Puls gefühlt, wäre es ihm unmöglich gewesen, diesen zu zählen, so schnell schlug das Herz in der Brust des Reporters. Nicht einmal eine Sekunde hatte das geflügelte Ungeheuer, das wie eine Mischung aus Wolf und riesiger Fledermaus aussah, in die Kabine geschaut, doch diese Sekunde hatte ausgereicht, um Bill Conolly das Fürchten zu lehren.
John Sinclair Band 2014: „Jagd auf Bill Conolly“

Kommunikativ-literarisches Resümee:

Im Stile eines Abenteuerromans, der es hauptsächlich auf Handlung und das Vorantreiben dieser absieht, vermittelt Trophäe von Gaea Schoeters zwischen den bekannt-westlichen Jagdideen eines Ernest Hemingway aus Die grünen Hügel Afrikas mit der Exploration des unbekannten-afrikanischen Savannenlebens eines Abdulrazak Gurnah in bspw. Das verlorene Paradies. Dynamisch wird diese Vermittlung von dem Motiv der Menschenjagd, die bereits Tomer Gardi in Eine runde Sache verarbeitet hat, umgesetzt:

Ich hab ihm angeschaut. Ist das irgend ein Witz? Kein Witz, hat Markus gesagt. Kein Witz, keine Yacht, eine Jagd. Er machte zwei Schritte zurück, das Gewehr zu seine Schulter. Bleib sitzen, Rex! Sein Gesicht war braun, Sonnenstudio gefärbt. Das Gewehr immer noch an seine Schulter. Er drückte den Abzug und hat geschoßen, ein mal über meine Kopf. Der Knall tromellte in meiner Ohren. Ich habe die Bewegung der Luft auf meine Glatze gespürt als der Kugel über mich flieh. Der bekannte Geruch von gebrannte Schwarzpulver. Ich schaute ihm an. Ich drehte mich um. Ich fing an zu rennen.
Tomer Gardi aus: „Eine runde Sache“

Bei Tomer Gardi verkehrt sich das Motiv jedoch in eine Groteske, die sprachlich-apokalyptisch auch konsequent in einer Sintflut endet, das Motiv Yacht-Jagd-Arche zu Ende denkend. Der Witz, die Sprachfreude nimmt dem dunklen und brutalen Motiv bei Gardi die Schärfe, die umso ungeminderter in Schoeters Trophäe zur Geltung kommt. Das Kaisergewand der Zivilisation hinabreißend, bedient sich Trophäe eher expressionistischer Mittel eines Ernst Jüngers, ohne dessen geschliffene Diktion zu übernehmen, bspw. in seiner Erzählung Die Eberjagd:  

Jetzt hörte man das Rauschen und Rufen ganz in der Nähe, und dann ein Rascheln, das sich unterschied. Ein Schatten durchfuhr das Röhricht und wechselte in die andere Deckung […] Das Wesen hatte etwas Wildes und Dunkelstruppiges, aber es war auch Röte, wie vom Feuer, dabei. Der dunkle Rüssel war absonderlich gebogen, ja fast geschraubt; er ließ den Ekel ahnen, mit dem dieser Freiherr die Nähe der menschlichen Verfolger und ihre Witterung empfand. Im Augenblick, in dem er die beiden wahrnahm, ließ er ein Schnarchen hören, doch wich er nicht aus der Bahn.
Ernst Jünger aus: „Die Eberjagd“

Hier lassen sich aus Trophäe nahtlos ähnliche Szenen zitieren:

Sein Instinkt brüllt ihm zu, dass er die Beine in die Hand nehmen soll, denn auch wenn er es nicht sieht oder hört, weiß er, dass das Tier in der Nähe sein muss. Dann, aus dem Nichts, schießt ein paar Meter weiter vorne ein großer, grauer Schatten durch die Sträucher. Das Nashorn. Hunter hebt sein Gewehr, aber genauso schnell, wie das Tier aufgetaucht ist, ist es auch wieder verschwunden. Dass sich so ein Koloss dermaßen schnell bewegen und sich ohne die geringste Spur in Luft auflösen kann, ist unbegreiflich.

Der Unterschied besteht nur darin, dass Jünger die Perspektive des Ebers einnimmt, die Hauptfigur sympathisiert mit dem „Freiherrn“, indes bei Schoeters die Tiere fremd und distanziert, ja Beute bleiben und jedweder Individualität entkleidet werden. Die Stärke des Romans Trophäe liegt nicht im Diskursivwerden von problematischen Rationalisierungsstrategien von Tötungs- und Gewaltdelikten, wie sie Lagerfeuergespräche zwischen van Heeren und Hunter White nahelegen. Diese überzeugen nicht und halten auch keiner diskursethischen Analyse im Sinne Jürgen Habermas stand. Auch die Jagdszenen zeigen nicht viel Natur- und Detailfreude wie bei Hemingway oder Jünger, die Natur dient nur als Bühnenhintergrund und Szenerie für das Psychogramm eines dekadenten weißen Jägers. Was hingegen an Schoeters‘ Roman überzeugt, das sind die Szenen bei den Buschmännern, die Fremdheit, Andersheit, eine Lücke im rationalen Gerüst des Romans erzeugen und phantasmagorisch eingefügt werden:

Je weiter die Zeit voranschreitet, desto mehr Jungen und Männer tanzen mit, ihre Füße treten im Sand einen tiefen Kreis aus. Die Luft wird von einer sonderbaren Energie erfüllt, auch Hunter wird von dem hypnotischen Rhythmus mitgerissen. Tanzt er wirklich? Oder sitzt sein Körper immer noch am Feuer, und es ist sein Geist, der sich zwischen die Tänzer gemengt hat, der sich mit ihnen mitbewegt, hin und her, im Rhythmus des Klatschens? Er weiß es nicht, und es ist auch egal, der Körper ist nur ein Körper, der Geist ist überall. Er spürt, wie seine Gedanken davonschweben, irgendwo anders hin, wo er sie nicht erreicht. Was übrig bleibt, ist nur der Rhythmus, das klopfende Herz der Gruppe. Einer nach dem anderen geraten die Männer in Trance, ihre Spasmen schwingen durch die Reihen der Tänzer. Niemand ist noch jemand, niemand ist noch er selbst, jeder ist jeder, und alle sind eins.

Hier baut sich eine Schattenwelt auf, nicht im Sinne als fehlendes Licht, eher aus Mangel an Beschreibungsformen wie in Joseph Conrads Herz der Finsternis, in den Szenen der Ankunft, des Abtransports von Kurtz, wenn sich die Ufer füllen und die Pfeilhagel auf die Kolonisatoren niederfliegen. Ein gewisser Anti-Individualismus schlägt sich im Ton und Gebärde durch Schoeters und in diesen Stellen auch durch Conrads Roman, dessen Fremdheit, Brutalität und Unkontrolliertheit im Schattengefecht spürbar bleibt. Der Spuk, als Antithese von Verständnis, gibt dem Roman etwas Unheimliches und Sogartiges, das den Finger auf gewisse kulturelle Selbstverständlichkeiten legt und spürbar werden lässt. Hier, in der Fremdheit und Undurchschaubarkeit, besitzt Gaea Schoeters‘ Roman Trophäe eine aufblitzende Intensität, die einen tatsächlich mit Schrecken erfüllt.

tl;dr … eine Kurzversion der Lesebesprechung gibt es hier.

Nächste Woche am 07.05.2024 auf Kommunikatives Lesen:
bespreche ich von Griechischstunden von Han Kang.

Eine Kurzversion der Besprechung und noch andere aktuelle Kurzrezensionen findet sich demnächst hier

6 Antworten auf „Gaea Schoeters: „Trophäe““

  1. Wie bisher immer: Merci für die Rezension! Es wird durch sie deutlich, welch‘ ambivalente Sache die Jagd ist. Trophaenjagd: nein! Pragmatismus: es gibt zu viele Rehe (warum?), diese fressen die Rinde junger Baeume ab…aus ists mit dem Wald. „Mist, hab diese Saison erst 2 Rehe abgeschossen!“
    Der Vater des jetzigen Königs von Spanien, Juan Carlos, war ein grosser Trophaenjaeger. Man studiere seine Biographie genauer: hat er nicht auch einen Menschen erschossen?
    Werd‘ aber das Buch net lesen 🙁

    1. Du hast es ziemlich gut zusammengefasst. Die intellektuelle Problematik des Romans ist schlicht und ergreifend inexistent – Menschen lässt sich auch anders als durch Opferung helfen. Dieser nihilistische Unterton schluckt sehr viel Semantik – was dem Roman eine eigenartige Sogwirkung gibt, die ich nicht angenehm fand. Von Juan Carlos weiß ich nichts – aber wer Elefanten schießt, dem widme ich meine kurze Lebenszeit nicht. Viele Grüße 😁

    1. Ja, ich habe deine begeisterte Rezension gelesen! Ich fand es sehr flüssig und schnell lesbar, aber nach dem Lesen überkam mich eine gewisse anhaltende Irritation, die ich versucht habe zu schildern. Gut, dass sie bei dir nicht einsetzte. Viele Grüße!!

    1. Es liest sich sehr gut, aber eben fast zu gut – fast journalistisch leicht, was für mich im Nachgang einiges verpuffen ließ. Es könnte sich dennoch als sehr fruchtbare Lektüre erweisen. Bin gespannt, was du sagst!!

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