Alle Artikel von Volltext

Maßvoll zerrüttet

Gabriel Josipovicis Wohin gehst du, mein Leben? ist ein Kürzest­roman von hundert Seiten, über den man locker fast ebenso viele Seiten schreiben könnte. Unter seiner anmutigen Oberfläche brodeln die Subtexte, und obwohl der Roman schlicht und selbstverständlich daherkommt und sich, …

Neulich

Neulich saß mal wieder Peter Kurzeck bei mir auf dem Sofa. Mit Peter ist es immer das gleiche. Meistens ruft er an, das macht er eigentlich täglich, und ich glaube, telefonieren ist ihm das wichtigste….

Nichts im Museum

Hanno Millesi. Foto: Jorghi Poll In eine der spalierstehenden Ritterrüstungen hineinzukommen ist einfacher als erwartet. Sie scheint geradezu begierig zu sein, nach so langer Zeit wieder einmal einen menschlichen Körper in sich aufzunehmen….

Man muss auch let go!

Iiiich hab Hitler persönlich gesehen, die Frau im Video tippt siebzig Jahre danach mit dem Zeigefinger wiederholt auf ihre grüne Brust, streckt danach den rechten Arm: So! In der Bismarckstraße habe ich ihn gesehen, wir haben aus dem Fenster geschaut, …

Aus dem Zettelwerk

Karl-Markus Gauß. Foto: Marco Riebler Es ist ein Irrtum zu glauben, dass jemand Faschist wird, weil es ihm schlecht geht. Er wird Faschist, weil er möchte, dass es anderen schlechter ergeht als ihm….

Nur zwei alte Männer

Thomas Sautner. Foto: Birgit Edlhofer Die Erde stürzte um die Sonne, Dunkles ums Licht, als Joseph Wasserstein ein Gefühl von Endzeitlichkeit ergriff. Einst war er berühmt gewesen, einst Fotograf….

La Grande Dame

Ljuba Arnautovic. Foto: Leonhard Hilzensauer Die Korrespondenz mit meinen russischen Freund:innen gestaltet sich wie zu längst überwunden geglaubten Zeiten. Wir vermeiden bestimmte Worte, reden um den Brei herum, schreiben übers Wetter und hoffen, dass das Eigentliche zwischen den Zeilen gefunden …

Hose und Satz

Der Kritiker K. (56) ruft beim Redakteur U. (46) an, der in einer Sendeanstalt im Norden der Bundesrepublik seit langem Sendungen über Literatur zu verantworten hat….

Ein Feind, der ehrt

Was ist das, was da jeden Morgen im unendlich komplexen Kollektiv seines Körpers aufwacht, von sich und dem gewaltigen leiblichen Rest ganz simpel als „ich“ spricht und dann auf die äußere Welt losgeht, als ob deren alle Namen überschreitende Vielfalt …

Der Tagtraum der begabten Kinder

Anne, Emily und Charlotte Brontë, gemalt von ihrem Bruder Branwell. Er hatte sich ursprünglich auch selbst im Kreis seiner Schwestern dargestellt, sein Gesicht aber später übermalt.Illustration: Branwell Brontë Spielen und Erfinden, ein Schattenbild…

Für wen schreibt man?

Braemar, Schottland, Sommer 1881: Eine Familie verbringt ihre Ferien in einem Dorf in den schottischen Highlands, wo man Königin Victoria, die dem Zeitalter ihren Namen gibt, im Zweispänner vorbeifahren sieht auf dem Weg nach …

An diesem Tag

Andrea Winkler. Foto: Reinhard Winkler An diesem einen Tag wollte ich mich auf den Weg begeben wie jemand, der weiter nichts als das zu tun hat. Ja, auch einen Zettel mit meinen geheimen Vorbildern wollte ich mir in die Hosentasche …

Über die Frage, wer erzählt

Walter Grond. Foto: Auftragsfoto Sappert Kürzlich wies mich Priya Basil auf ihren Essay „Gegen mich andenken“ hin, er erschien 2021 in der Schweizer Wochenzeitung. Darin setzt sie sich mit einer verstörenden Entdeckung auseinander, welche die von ihr überaus geschätzte und …

Neulich

Neulich habe ich darüber nachgedacht, warum ich so unpolitisch bin. Wenn ich überhaupt über etwas schreibe, dann über den Herbst (Chrismon), über Udo Jürgens (FAZ), über Spinnen oder Eichhörnchen oder Schafe (WDR), über Naturkundebücher (ZEIT…

Mama

Ada und Theo sitzen im Auto, Theo am Steuer. Der Weg schlängelt sich abenteuerlich durch den Wald den Hang hinauf. Ada ist am Beifahrersitz mit einem speziellen Gurt angeschnallt, wegen ihrem Bauch….

Willkommen im Museum des Leidens ohne Wehgeschrei

Ermuntert, meiner Genugtuung darüber Ausdruck zu verleihen, dass ein bestimmtes literarisches Werk endlich in Vergessenheit geraten ist – Vergessenheit zumindest im Verhältnis zu einer Popularität, die ihm dereinst unverständlicherweise zuteilgeworden ist –, musste ich gleich an Paula Groggers epischen Bauernroman …

Noch ein Leben für John Potocki

Der Mensch braucht unbedingt ein zweites Leben, sonst braucht er auch das erste nicht. Andrej Platonow Prüfen wir nach, weil es ja gleiche Aussichten auf Gewinn und Verlust gibt, wenn wir nur zwei Leben für eines zu gewinnen hätten, so …