Alle Artikel von Bonaventura

Allen Lesern ins Stammbuch (91)

Folgendes sind allgemeingültige Grundgesetze der schriftstellerischen Mitteilung: 1) Man muß etwas haben, was mitgeteilt werden soll; 2) man muß jemand haben, dem man’s mitteilen wollen darf; 3) man muß es wirklich mitteilen, mit ihm teilen können, nicht bloß sich äußern, …

Giorgio Agamben: Homo sacer

In der Person des Führers geht das nackte Leben unmittelbar in Recht über, so wie in der Person des Lagerbewohners (oder des neomorts) das Recht ins Unbestimmte des biologischen Lebens übergeht. Homo sacer – der heilige oder verfluchte Mensch; …

Allen Lesern ins Stammbuch (90)

Denn es obliegt dem Literaturhistoriker, darauf hinzuweisen, dass sein Stil sich verblüffend gewandelt hatte. Das Preziöse war gedämpft, das Übermaß gezügelt; diese warmen Quellen waren in der Epoche der Prosa erfroren. Sogar die Landschaft draußen war weniger girlandenumwoben, und selbst …

Virginia Woolf: Orlando

Nicht Orlando sprach, sondern der Geist der Epoche. Doch wer es auch war, niemand antwortete. Es muss in der zweiten Hälfte der 80er Jahre gewesen sein, als ich unter großen Vorbehalten zwei oder drei Bücher von Virginia Woolf gelesen habe; …

Samuel Schoenbaum: William Shakespeare

This is mere speculation. Diese beinahe dreißig Jahre alte, vergleichweise kurze Biographie Shakespeares führt den Untertitel “A Compact Documentary Life”, der den Charakter des Buches vollständig beschreibt. Schoenbaum hält sich streng daran, nur das für bare Münze zu nehmen, was …

Jane Austen: Verstand und Gefühl

Der erste veröffentlichte Roman Jane Austens, nachdem sie viele Jahre nur für die Schublade geschrieben hatte. Es handelt sich um eine scharfe und intelligente Parodie des zeitgenössischen empfindsamen Romans, nicht ohne Schwächen im moralischen Abschluss, die aber durch das gnadenlos …

Allen Lesern ins Stammbuch (88)

Über Tisch war Lenz wieder in guter Stimmung: man sprach von Literatur, er war auf seinem Gebiete. Die idealistische Periode fing damals an; Kaufmann war ein Anhänger davon, Lenz widersprach heftig. Er sagte: Die Dichter, von denen man sage, sie …

Alfred Andersch: Der Vater eines Mörders

Alfred Andersch ist einer meiner kleineren Hausheiligen. Einige seiner frühen Texte sind ideologisch unnötig deutlich, aber die positive Unbestimmtheit seiner Texte nimmt mit der Zeit erfreulich zu, und mit „Winterspelt“ hat er einen der wichtigen deutschsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts …